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Romuald Hazoumé - Beninische Solidarität mit gefährdeten Westlern: Unter die Haut

Für freiheitsliebende Gemüter hat das Bild etwas Bedrohliches: Hunderte Vorhangschlösser mit Namen von Liebespaaren hängen derzeit an der Murbrücke in Graz, ein urbaner Brauch des 21. Jahrhunderts, der aus Paris und anderen europäischen Metropolen importiert wurde. Sie sollen enge Verbundenheit darstellen; dass ein Schloss freilich auch mit Gefangenschaft konnotiert werden kann, bedenken die Verliebten, die sich auf diese Weise verewigen, wohl kaum. Auch im Kunsthaus Graz sind derzeit haufenweise kleine Schlösser wie diese zu sehen. Romuald Hazoumè, documenta-Teilnehmer 2007, hat sie auf die Statue einer Liebesgöttin gehängt; allerdings die Schlüssel gleich dazu, als dekorative Kette. „Liebe ist keine lebenslange Haft, sondern eine Reise, von der man bei Bedarf zurückkehren darf“, schreibt Yacouba Konaté dazu im Ausstellungskatalog. Umstellt von finsteren Ritterrüstungen, wird die „Déesse de l’amour“ zu einer geradezu emanzipatorischen Ikone. Die Arbeiten Hazoumès im Kunsthaus appellieren ans Emotionale, und das auf recht wechselhafte Art: Die Installation „Lampedouzeans“, anspielend auf die vielen Flüchtlinge vor Lampedusa, vereint eine Fotografie von gestrandeten, toten Fischen mit solchen, die aus Kanistern ausgeschnitten und auf Sand verteilt wurden. Ein bedrückendes, beunruhigendes Bild, das nicht weniger unter die Haut geht als die Fotografien der Toten, die kürzlich in den Medien kursierten. In der Filminstallation nebenan geht es etwas munterer weiter: Da versuchen Promis in Hazoumès Heimatland Benin, Spenden für die verarmten „Westler“ zu sammeln, drehen also die üblichen Verhältnisse um. Das ergibt ebenso komische wie aufschlussreiche Situationen. So erbarmen sich die angeschnorrten Marktstandlerinnen und Teenager meist dann, wenn sie auf die „fehlende Liebe“ im Leben der „Westler“ hingewiesen werden. Hazoumès Arbeiten sind inhaltlich dicht gepackt, es geht um Alltag in Benin, die merkwürdige Rolle von NGOs, Postkolonialismus, Vodoun (also Voodoo), Migrationsbewegungen, ökonomisches (Un)Gleichgewicht – und um kaum vorstellbares menschliches Leiden. Es ist nicht leicht, dabei nicht ins Beliebige, Banale oder aber allzu Verkopfte zu gleiten. Hier gelang es.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Romuald Hazoumé - Beninische Solidarität mit gefährdeten Westlern
22.09.2013 - 12.01.2014

Kunsthaus Graz
8020 Graz, Lendkai 1
Tel: +43/316/8017-9200, Fax: +43/316/8017-9800
Email: info@kunsthausgraz.at
http://www.kunsthausgraz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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