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Jun Yang: Die Form der Norm

\"Was sagen Sie, nachdem Sie \Guten Tag\ gesagt haben\", nannte der amerikanische Psychologe Eric Berne seine \Psychologie des menschlichen Verhaltens\. Jun Yang würde die Frage anders stellen: \"Wie haben Sie \Guten Tag\ gesagt?\" oder \"Was taten Sie, als Sie \Guten Tag\ sagten?\". Der 1975 in China geborene, ab 1979 in Österreich aufgewachsene Künstler beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den unterschiedlichen Formen kultureller Norm. In früheren Arbeiten verwendete er dazu Piktogramme, wie sie weltweit im Einsatz sind. Doch anstatt zum richtigen Anlegen einer Schwimmweste anzuleiten, geben seine Grafikreihen Anweisungen zur korrekten Bewegungsabfolge beim Händeschütteln oder einer gegenseitigen Verbeugung. Die Erfahrung des Fremdseins hat Jun Yangs Wahrnehmung für kulturell bedingtes Verhalten geschärft. So bemerkte er, dass sich seine Eltern in Österreich \"chinesischer\" gaben, als Chinesen es in China tun. In dem neuen Video \"Camouflage - Look like them - Talk like them\" geht er dieser Spur nach und verallgemeinert sie. Die Erzählung um die fiktive Person \X\ macht bewusst, wie sehr das Bestehen des Einzelnen, besonders des Fremden, womöglich illegal Zugewanderten in einer Gesellschaft von seinem Wissen um den herrschenden Verhaltenscode abhängt. In New York z.B., wo Jun Yang derzeit lebt, ist es seit dem Anschlag auf das WTC nicht von Vorteil, traditionell islamisch aufzutreten. Umgekehrt macht \"Camouflage\" klar, dass der vom Westen propagierte Individualismus nicht Individualität kreiert, sondern bloß wieder eine Norm ist. In der vielleicht schönsten Arbeit dieser feinsinnigen Ausstellung, einem Modell einer Ansiedlung, vor deren Mini-Häusern der Loop eines Feuerwerks über einen Flatscreen rieselt, suggeriert Jun Yang gemäß der chinesischen Gleichung Feuerwerk = Fest auf die ihm eigene leichte, spröde Art einen Dauerfreudentaumel. Zugleich spielt er auf die Tradition der amerikanischen Reklametafeln an - eine völlig andere Baustelle, wie man zunächst meint. Doch die Traditionen mischen sich. Jun Yang hinterfragt kulturelle Selbstverständlichkeiten und deren Wandel. Er säht den Zweifel. Wir ernten Erkenntnis.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Jun Yang
29.01 - 15.03.2003

Galerie Martin Janda
1010 Wien, Eschenbachgasse 11
Tel: +43 1 585 73 71, Fax: +43 1 585 73 72
Email: galerie@martinjanda.at
http://www.martinjanda.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa: 11-16h


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