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VIENNAFAIR The New Contemporary: Fast besenrein

Neue Besen kehren gut und die konnten bei der Viennafair in Person der Direktorinnen Christina Steinbrecher und Vita Zaman jetzt erstmals ausgiebig ein ganzes Jahr lang zu Werke gehen. Noch sind allerdings einige Schmuddelecken geblieben, während an anderer Stelle vielleicht etwas überambitioniert vorgegangen wurde. Galerist Thomas Taubert von taubert contemporary aus Berlin jedenfalls ist begeistert: "Ich bin jetzt das zweite Jahr wieder hier. Vorher habe ich einige Jahre ausgesetzt, weil ich die Organisation ganz fürchterlich fand, wirklich schlimm. Jetzt bin ich sehr froh und erfreut, dass die Auswahl immer besser wird und wir dadurch auch den bestbesuchten Eröffnungstag hatten, nicht nur von den Zahlen, auch von der Qualität der Besucher." Sein Kollege Claes Nordenhake: "Marjetta Potric hatte vor einigen Jahren eine Ausstellung in der Generali Foundation und wir haben uns gedacht: Lass uns das probieren." Ob das auch wirtschaftlich funktioniert, weiß er noch nicht. "Wir haben ja nicht so Ware. Das ist eher etwas für Instituionen, und das dauert immer etwas." Das Publikum findet er bis auf die Institutionsvertreter allerdings relativ unqualifiziert. Markus Peichl von der Berliner Crone Galerie meint: "Monika Grzymala zumindest kommt wahnsinnig gut an. Meine Arbeiten sind ja auch durchschnittlich relativ teuer. Ich habe nichts erwartet, und wenn man dann zwei Arbeiten verkauft, ist das ein schöner Erfolg. Das hat erstaunlich gut funktioniert, denn den Stand habe ich mit Arbeiten bestückt, von denen ich denke, dass sie nach Wien passen." Damit alles passt, muss man als auswärtige Galerie allerdings ein bisschen Sitzfleisch mitbringen. Teapot aus Köln musste zum dritten Mal anreisen, um nennenswert Verkäufe realisieren zu können. An Wiener. "Den Russen ist unsere Kunst wahrscheinlich nicht bunt genug", scherzt Galerist Lutz Göbelsmann. Möglicherweise hat er jedoch Recht und die Messe ein Problem. Denn das Publikum, das aus dem Osten - vornehmlich Russland - eingeflogen wird, ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem, das sich für zeitgenössische, sperrige, wenig repräsentative Avantgarde interessiert. Daran arbeiten die Veranstalter jedoch mit verschiedenen Initiativen. Ob diese tatsächlich greifen und auch einem osteuropäischen Publikum Begeisterung für Zeitgenössische Kunst beibringen können, wird sich nicht kurzfristig erweisen. Die andere Seite der Ost-Orientierung funktioniert jedoch gut. Viennafair war 2011 die erste Messe, an der Ani Molnar aus Budapest teilgenommen hat, und sie ist ihr treu geblieben, weil der Marktplatz für sie mit ihren südosteuropäischen Künstlern auch funktioniert. Ihre Künstler sind zum Teil in Wien allerdings keine völlig Unbekannten. Entscheidend ist für sie jedoch, dass "alle Sammler und Institutionen, die an dieser Region interessiert sind, hierher kommen." Genau der Punkt erweist sich tatsächlich als Unique Selling Point der Messe. Unfreiwillig schönstes Beispiel dafür ist die Direktorin einer internationalen Messe, die freudestrahlend mit einem Kleinformat in Bubble-Folie von einem rumänischen Künstler unter dem Arm Richtung Ausgang strebt. "Rumänische Malerei ist zur das Beste, was man kaufen kann", meint sie und setzt sogar noch eins drauf, indem sie erklärt, dass auch diese schrägen Positionen aus 1970ern ganz toll seien. Und dass der Rand Europas zumindest ökonomisch noch nicht wirklich integriert ist, macht die Sache nur sympathischer. Bei der Frage nach dem Preis einer Arbeit zeigt sich eine Ausstellerin aus Rumänien etwas hilflos. Sie seien ein Projektraum und sie ermöglichten die Produktion von Kunst, mit dem Verkaufen hätten sie eigentlich keine Erfahrung. Sie könne den Künstler aber kontaktieren und nach dem Preis fragen. Derart anarchische Liebenswürdigkeit ist der westlichen Kunstszene wahrscheinlich spätestens in den 90ern abhanden gekommen und machen einen Teil des Reizes dieses unbekannten Teils Europas aus. Aus derselben Quelle speist sich die Widerständigkeit und zum Großteil an gesellschaftlicher Teilhabe interessierte Kunst Ost- und Südosteuropas. Der gerne mit Nabelschau beschäftigten etablierten Westkunst wird hier ein Gegenmodell präsentiert, das der immer mehr ermattenden Sammlerschaft des Abendlandes neuen Elan einhauchen könnte. Alles richtig gemacht also? In Sachen Ost-Erweiterung vieles. Beim Blick auf den Westen trübt sich der Eindruck hingegen deutlich. Einige deutsche, erst recht britische und US-amerikanische Galerien erreichen oft nicht den Standard, den man von einer international bedeutenden Kunstmesse erwarten darf. Das Begleitprogramm wirkt in seiner Fülle überambitioniert, verzettelt, unstrukturiert und scheint von Redaktionspraktikanten eines Kinderkanals mit Titeln versehen worden zu sein. An dieser Stelle fängt die Desorganisation der Messe an, ärgerlich zu werden. Das freundliche Chaos sollte man den Künstlern überlassen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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VIENNAFAIR The New Contemporary
10 - 13.10.2013

Messe Wien
1020 Wien, Messezentrum Wien Neu, Halle A
http://www.viennafair.at
Öffnungszeiten: Do 11 - 19 h; Fr 11 - 21 h; Sa 11 - 19 h, So 11-18 h


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