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abc Art Berlin Contemporary : Die Vergeblichkeit der Kunstmaschine

"KÖRPERFUNKTIONSSTÖRUNG" .... "GEFÜHLSSTÖRUNG".... Unablässig läuft der meterlange perforierte Gummiriemen um zwei Rollen, vorbei an Lampen und lässt so die Störmeldungen als Leuchtband erscheinen. Der Motor der meterhohen Maschine sitzt in einer Art Holzhäuschen, das in unregelmäßigen Abständen verzweifelt mit seinen Holzjalousien klappert. Zu dieser mechanischen Schnappatmung ertönt aus dem Inneren eine Stimme, die bei angestrengtem Zuhören wissen lässt, dass das Kloster heute geschlossen sei. Die Vergeblichkeit des maschinellen Tuns sowie unseres Bemühens, darin einen Sinn zu finden, können auch als Sinnbild der abc in Berlin gesehen werden, auf der diese Arbeit von Andreas Fischer bei Johann König zu bewundern ist. Dem Format, von führenden Berliner Galeristen einst ins Leben gerufen, um dem inzwischen verblichenen Art Forum Berlin das Leben schwer zu machen, ist nicht nur der Gegner abhanden gekommen, sondern auch die Perspektive. Einen Heimatmarkt gab es nie wirklich, die internationale Strahlkraft Berlins hat deutlich nachgelassen, und die globalisierte Kunstszene hat sich längst in ein Oben und Unten geteilt. Das Oben findet woanders statt und zum Unten möchte man nicht gehören. Das Ergebnis ist nach wie vor eine hybride Schau, die Sammler wie Galeristen einigermaßen ratlos zurücklässt. Anstatt bei der Zweitveranstaltung - nach dem Gallery Weekend im Frühjahr - alle Akteure der Stadt aktiv mit ins Boot zu holen, beteiligt man sich halbherzig an der halbgaren Berlin Art Week und versucht sich weiterhin als elitärer Solitär, dem das Drumherum nur als dekorativer Hintergrund dient. Als vollwertige Messe möchte abc immer noch nicht gelten. Der zentrale kuratorische Anspruch wurde zwar aufgegeben, doch die Bedingung Einzelpräsentation ist geblieben. So stehen die Aussteller weiterhin vor dem Dilemma, an einem kommerziell notorisch erfolglosen Standort in einem divergierenden Marktumfeld den Spagat zwischen betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit und künstlerischem Anspruch mit einer risikobehafteten Präsentationsform zu meistern. Genau an diesem Punkt entstehen jedoch mitunter interessante Dinge. Rund 130 Galerien nehmen nach offizieller Zählung an art berlin contemporary teil. Tatsächlich teilen sich vor allem einige Berliner Galerien ihre Präsentationsfläche mit den auswärtigen Repräsentanten ihrer Künstler. So bespielt etwa Croy Nielsen gleich zwei Stände, den von Nina Beier mit Proyectos Monclova aus Mexiko Stadt und den von Thomas Kratz mit der Galleria Collicaligreggi aus Catania. Beide Präsentationen bestehen aus mittelformatiger Flachware zu Preisen vom mittleren vierstelligen bis zum unteren fünftselligen Bereich. Da jede Position 4.000 Euro kostet (es sei denn, man bucht Stellwände dazu, dann wird's schnell teuer), ist ein wirtschaftlicher Erfolg nicht unwahrscheinlich. Andere Galeristen scheinen den Einsatz erst einmal abzuschreiben und als reine Marketingkosten zu sehen: ein Stand, ein Künstler, ein Werk, volles Risiko. Den Besucher kann es nur freuen. Martin Kwade von der jungen Berliner Galerie Kwadrat hat von Timo Klöppel einen begehbaren milchig leuchtenden Kubus von knapp vier Metern Kantenlänge aus alten Fenstern bauen lassen (35.000 Euro). "Natürlich will ich verkaufen", erklärt Kwade. Doch mit ausreichend Budget ausgestattete Museumskuratoren dürften schwer zu finden sein, auch wenn der internationale Zuspruch dieses Jahr etwas besser wirkt. Monumentale Werke wie Olaf Metzels Relikte einer Abbruch-Party im Fußballstadion (Galerie Jan Wentrup, Berlin) sind tatsächlich toll anzuschauen und bei den Standpreisen wirklich günstig präsentiert. Da kann es sich Andreas Huber aus Wien sogar leisten, lediglich einen kleinen Glaskasten auf seinen Schreibtisch zu stellen. Darin befindet ein grüner Kristall, der aus den Resten von Foto-Chemikalien entstanden ist, die der Künstler Michael Part von seinen Bildgebungsexperimenten aufgehoben hat (4.400 Euro). Zwar gibt es von diesen an Wunderkammerobjekte erinnernden Werken neun Unikate, mitgebracht hat Huber aber nur eines. Selbst bei diesem geringen Aufwand müssten jedoch mindestens drei einen Liebhaber finden, damit der Wiener nicht mit Verlust nach Hause fährt. So geben viele der einheimischen Aussteller auf Nachfrage zu, dass sie auch eher mangels Alternativen an der abc teilnehmen. Natürlich wollen sie die Chance nutzen, sich in der eigenen Stadt einem größerem Publikum zu präsentieren. Andererseits schätzen sie die Chancen auf Umsatz als gering ein. Eine andere Messe mit zumindest begrenzt internationaler Strahlkraft gibt es nicht, und wenn, hätte sie die gleichen Probleme. Was die Aussteller meistens nicht zugeben ist, dass sie es sich mit den hinter abc und Gallery Weekend stehenden Galerien nicht verderben wollen. Deren internationaler Einfluss schwindet zwar, doch haben sie immer noch bei vielen Zulassungsgremien von Kunstmessen ein Wörtchen mitzureden. Die Mischung aus Realitätsverleugnung und trotzigem "jetzt erst recht" mag schon auf mittlere Sicht nichts Gutes für die deutsche Kunstszene bedeuten. Aktuell gebiert die unsichere Situation für den Besucher jedenfalls eine bessere, weil interessantere, Art Unlimited. Nur die Organisation dürfte gerne dem schweizerischen Modell nacheifern statt jedes Jahr den Eindruck zu erwecken, sie mache das gerade zum ersten Mal.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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abc Art Berlin Contemporary
19 - 22.09.2013

Station Berlin
10963 Berlin, Luckenwalder Strasse 4-6
http://artberlinfair.com/


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