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Museale Huldigungen: Wir sind wieder Kaiser

Im aktuellen Programm des Kunsthistorischen Museums „kaisert“ es gleich zweimal: „Kaiser Karl V. erobert Tunis“ heißt es im 2. Stock des Haupthauses, während eine kleine Neuaufstellung in der „Hofjagd- und Rüstkammer“ mit „Der Kaiser und die Jagd“ beworben wird. Die Neuaufstellung der Kunstkammer geriet ohnehin zur habsburgischen Familienaufstellung, deren Höhepunkt jener Huldigungsraum darstellt, in dem alle Vitrinen sternförmig auf eine Büste Rudolf II. ausgerichtet wurden. Im „Hofmobiliendepot“ gibt man „Maximilian von Mexiko – der Traum vom Herrschen“ und in der Spanischen Hofreitschule hüpften letzte Woche bei der „Fête Impériale“ zur Abwechslung einmal Menschen durch den Saal. Die Generaldirektorin appellierte emphatisch: „Tanzen Sie, damit die Lipizzaner weiter tanzen können!“ und der Ankündigungstext zur Sommersause verhieß: „Wie zu Kaisers Zeiten werden wieder Kutschen vorfahren. Die Reitbahn wird zum Tanzparkett und bietet Platz für Kapriole, Levade, Courbette, Schulquadrille und das persönliche Pas de Deux der Ballbesucher“. Alle Schauplätze wurden übrigens erst in der jüngeren Vergangenheit wieder „höfisch“: Die Hofjagd- und Rüstkammer hieß bis 1989 schlicht und treffend: „Waffensammlung“. Die „Kunstkammer“ firmierte bis 1990 unter dem sachlicheren Titel: „Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe“. Sie wird heute unter anderem mit dem Kombiticket „Schätze der Habsburger“ beworben. Das „Hofmobiliendepot“ hieß für den größten Teil des 20. Jahrhunderts „Staats-“ oder „Bundesmobiliendepot“ und änderte erst 1998 seinen Namen als es – nach einer Schließzeit – renoviert und „professionalisiert“ wieder eröffnet wurde. Kurz danach schloss die „Graphische Samlung Albertina“ ihre Pforten, die während der Schließung zwar den Namensteil „Graphische Sammlung“ verlor, seither aber auch die „Prunkräume der Habsburger“ für jene mitvermarktet, denen Gottfried Helnwein alleine nicht populär genug ist. Man kann sich all die Marketingsitzungen gut vorstellen, denen bis heute nur „kaiserlich“ einfällt, wenn es darum geht, noch ein paar Prozentpunkte aus dem Strom der Wientouristen in das eigene Haus zu leiten. Natürlich wäre es im Jahr 2013 etwas zwänglich, wenn man überall ein „ehemaliges“ voranstellen würde, doch zeigen die Beispiele, dass schnell zur musealen Programmatik wird, was einmal als reines Marketing begann. Als stille Erinnerung an scheinbar republikanischere Zeiten dient ein Lageplan für das Hofburgareal mit den „veralteten“ Bezeichnungen aus den 1980er Jahren. Generationen von Burghauptmannschaftsmitarbeiter_innen haben vergessen ihn abzunehmen und so hängt er bis heute in einem unbeachteten Eck neben der Augustinerkirche. Die heutigen „Kaiserappartements“ trugen den Titel „Schauräume (ehemalige Kaiserappartements)“, die beliebte Pferde-Event-Location daneben wurde schlicht als „Spanische Reitschule“ bezeichnet, die „Silberkammer“ war die „ehemalige Hofsilber- und Tafelkammer“ und das „Sisi Museum“ suchte man vergebens. Doch genau in jenen Schauräumen konnte ich vor Jahren eine Privatlektion in kulturhistorischem Perspektivenwechsel erleben, als ein mexikanischer Freund eine Vermittlerin korrigierte, die vor einem Portrait Maximilians davon sprach, dass dieser in Mexiko „ermordet“ worden wäre. Mein Freund – ganz Jurist – wies sie damals darauf hin, dass der Ex-Monarch vor seiner Erschießung „von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt“ worden wäre. Obwohl man die Re-Habsburgisierung der im April 1919 enteigneten Sammlungen und Infrastrukturen im Zeichen neo-imperialen Marketings auch achselzuckend zur Kenntnis nehmen könnte, sei daran erinnert, dass jede in einem Museum erzählte Geschichte zu Lasten anderer, nicht erzählter Geschichten geht. --- Förderhinweis: Der Verfasser ist beteiligt am FWF-geförderten Forschungsprojekt „Vom Kaiserforum zum Kulturforum Hofburg-Museums-Quartier“ im Rahmen des Hofburgschwerpunkts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Mehr Texte von Martin Fritz

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Ihre Meinung

6 Postings in diesem Forum
Kakanisches Museumsmarketing
Fliedl Gottfried | 01.07.2013 08:15 | antworten
Erst einmal eine Dank für die penible Zusammenstellung der diversen Konversionen. Die Refeudalisierung ist unübersehbar und man mag ja der Meinung sein, da es sich ohnehin nur um Marketing handle, sei es im Grunde nicht so wichtig. Der letzte, so wichtige Satz, der über die nicht geschriebene(n) Geschichten, wäre ein Ausgangspunkt für eine Analyse der inhaltlichen Veränderungenn an den Museen. Dazu gehörte die dramatisch versäumte Republikanisierung 1918ff. die auch einen außergewöhnlichen Moderator hatte, Hans Tietze. Seine beachtlichen Konzepte blieben Makulatur. - Und dann könnte man noch den Blick etwas weiten und mal auf das Heeresgeschichtliche Museum werfen oder auf das Tiroler Kaiserjägermuseum, dann würde das mit der Relativierung als bloße Marketingtrickserei ziemlich blass werden. MfG G Fliedl
Vom
Walter Stach | 02.07.2013 12:18 | antworten
- ein Prost! auf unsere Republik.
...
Walter Stach | 02.07.2013 12:19 | antworten
Warum ...
Walter Stach | 02.07.2013 12:21 | antworten
... verschluckt dieses Programm meine Eingabe "Gold" zum "Kaiser"?
museale huldigungen
barbara steiner | 03.07.2013 06:11 | antworten
Der Text trifft die Lage auf den Punkt. Museen sind offensichtlich sehr bequem geworden: die bedenkenlose, bereitwillige Anpassung an die jeweiligen Umstände, konkret an Ökonomisierungsprozesse (mehr BesucherInnen, mehr Einnahmen, weniger Reibungsflächen), findet sich nicht nur in Österreich, auch wenn die Wiederauferstehung des Kaiserreichs dort äußerst skurrile Züge annimmt. Es werden hochproblematische Narrative bestätigt anstatt diese infrage zu stellen bzw. neue zu erzeugen. Schade, dass die meisten Museen heute ihre gesellschaftlichen Möglichkeiten so dermaßen verschenken!
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Freie Klasse | 05.07.2013 03:04 | antworten
Danke für diese interessanten Beobachtungen!

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