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Kiki Kogelnik - Retrospektive: Spacegirl der Pop Art

Mit den seit 1994 produzierten Muranoglas–Köpfen wurde sie berühmt. Gleichzeitig wurde die Rezeption ihres facettenreichen Schaffens von diesem späten Austrieb ihrer Experimentierfreudigkeit zu sehr dominiert und weit bedeutendere Aspekte ihres Werks in den Schatten gestellt. Kiki Kogelnik (1935-1997) war einer der wenigen Künstlerinnen, die in der sehr männlichen „Avantgarde“ Wiens der Nachkriegszeit Beachtung fanden. Msgr. Otto Mauer beteiligt die ambitionierte junge Künstlerin ab 1955 an Ausstellungen und widmet ihr 1961 eine Personale in der Galerie nächst St. Stephan. Rückblickend lässt sich in diesem Zeitabschnitt für Kiki Kogelniks Oeuvre eine Phase der Orientierung ablesen. Ihre Farbfeldmalereien oder Fingerzeichnungen sind vom französischen Informell beeinflusst, entsprechen dem Mainstream ihrer KünstlerkollegInnen und resultieren in einem nicht allzu spezifischen Erscheinungsbild.

Ab etwa 1960 kündigt sich in grellen Farben, expressiv und abstrakt anmutend, die Unbändigkeit an, die sie in der freieren Atmosphäre in New York seit 1962 ausleben und entwickeln kann. Die Urbanität und Vitalität New Yorks, das vielleicht auch enervierende Umfeld der Pop Art–Szene rund um Lichtenstein, Oldenburg und Warhol, in der sie rasch integriert und aktiver Bestandteil ist, liegt ihrem Wesen näher als das beengende Milieu in Wien. Das technologische Erneuerungen und moderne Errungenschaften bedingungslos bejahende Fluidum in den USA gibt Kiki Kogelnik den Impetus zu autarken Varianten der Pop Art. Eigenwillig und progressiv transformiert sie futuristisch–technologische Themen in ihre „Space–Art“: Ihre Begeisterung für Weltraumfahrt, für die aktuellen synthetischen Materialien und die „Modernität“ der Lebensweise mischt sich indes von Anfang an mit einem kritischen, manchmal sarkastischen Unterton, der die buntfarbige Lustigkeit subversiv, aber deutlich unterwandert und mitunter ein dämonisches Moment einbringt. Sie baut sich ihren überdimensionalen „Loverboy“ (1965) aus transparenten Verpackungen von Lebensmitteln. Die Ironie ist implizit. Aus dem Rückgrat des sich entziehen wollenden „Space Angel“ (1965) ragen Röhren bzw. Düsen, dazwischen sind Brustwarzen ähnelnde Reflektoren platziert, begehrliche Hände greifen in die weibliche Silhoutte, wo eine teilweise gefüllte Spielball–Verpackung montiert ist. „Bombs in Love“ (1962) rücken in kitschig–fröhlichen Farben aneinander. Menschliche Umrisse sind aus bunten Vinylfolien geschnitten und hängen als Häute von Drahtkleiderhaken herab, manchmal in greller Farbe, manchmal als schwarzer Schatten, manchmal als weißes Nachleben, manchmal als makabres Geflecht von Blutbahnen. Die „Hangings“ sind jahrelanges Thema, 1967-92. Es sind auch die Silhoutten von KünstlerfreundInnen darunter. Kiki Kogelnik spaziert 1967 mit eben solchen „body part“–Skulpturen aus Schaumgummi um den Hals gehängt durch New York. Die Selbstinszenierung ist nicht nur lustig, auch abgründig. Die von der Warenästhetik Amerikas eingeforderten Schönheitsklischees schleudert sie dem Publikum entgegen; mit Hommagen, d.h. vielmehr drastisch überzogenen Persiflagen von „schönen“ Ikonen der Kunstgeschichte wie Leonardos Leda mit dem Schwan oder ähnlichen populären Sujets von Tizian oder Bronzino. Kikis Kitsch ist provokant, eigentlich penetrant.

Das spaßhafte Äußere birgt zumeist eine inhaltliche Grausamkeit. Kiki Kogelnik ist darin selbst involviert, ihre Selbstdarstellungen sind meist ohne Gesichtszüge, etwa in „The Painter“ (1975) als schwarze Schattenfigur in aggressiver lauernder Haltung, Farben–bekleckt, den Pinsel wie eine Waffe drohend in der Hand führend. In einem anderen Selbstporträt („Self Portrait“ 1964) bildet sie sich mit durchgerissenem Leib ab, wieder langen fremde Hände nach ihrem schablonierten Körper, während Totenkopf–Ornamente den Bildrand säumen. „Falling in Love again“ (1962) gleicht einem desaströsen Absturz. „Skeleton with glasses“ (ca. 1963) grinst unter der Herzerl–Brille. Ergänzt werden diese schmerzlichen Darstellungen durch das sehnsuchtsvolle „Fly me to the Moon“ (1963).

Kiki Kogelniks Humor ist konsequent und grausam. Wenngleich fein gehalten, dringt er doch durch jede oberflächliche Schönförmigkeit und bereitet Unheimlichkeit und Unbehagen, das zugleich das Faszinierende an ihrem Werk ist. Die Kuratierung von Brigitte Borchhaardt–Bierbaumer und Hans–Peter Wipplinger ist in chronologischer Ordnung respektvoll zurückhaltend, die Relevanz von Kiki Kogelniks Kunst kommt souverän zur Geltung. Die Retrospektive ist umfassend und denn doch nicht erschöpfend. Man wünscht sich mehr zu sehen.

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Kiki Kogelnik - Retrospektive
14.07 - 06.10.2013

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


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