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Nilbar Güreş: Nilbar Wien-Na: Babyfläschchen und Handschellen

Eine verlassene Straße, im Hintergrund ein Dorf. Ein Stoffhaufen, unter dem offensichtlich ein Mensch liegt. Leise Tiergeräusche. Und plötzlich beginnt sich die Figur zu bewegen, steht auf und entfernt sich, schlendert ohne Hektik die nicht asphaltierte Straße hinunter. Abspann. Die Arbeiten von Nilbar Güreş, Jahrgang 1977, wohnhaft in Istanbul, New York und Wien, sind alles andere als aufdringlich. Und sie erschließen sich häufig langsam, geben ihre Inhaltlichkeit erst dann preis, wenn man Symbolik und Hintergrund entschlüsselt hat. Denn der Ort, an dem jene Frau aus Stoffen schlüpft, ist ein alevitisches Dorf, das sich einerseits gegen den Bau einer Moschee wehrt, sich andererseits jeglicher Modernisierung entzogen hat – und deren Identität damit ebenso aus scharfen Brüchen besteht wie jene von zahlreichen Türkinnen, deren Lebensstil sich schon lange mit den traditionellen Strukturen ihrer Familien spießt. Derartige Fragen sind es, die Nilbar Güreş stellt; ihre Ausstellung in der Galerie Martin Janda bietet einen weit gefassten Einblick in ihre Arbeiten. Welche Lebensentwürfe sind vereinbar? Auf einer ihrer (schwarzen) Collagen – das Medium beherrscht sie meisterhaft – verteilt Güreş ein Babyfläschchen, einen Hochstuhl, diverses Kinderspielzeug ebenso wie Handschellen und weiteres S/M-Equipment. Unübliche Sexualpraktiken vereinen sich in dieser Welt mit dem Elterndasein ebenso zwanglos wie etwa jene Frauen unterschiedlicher Generation, die in einer großformatigen Fotografie gemeinsam eine Zusammenkunft nicht ganz geklärter Natur erleben – unter einer Art Baldachin in einem Park sitzend, scheinen sie sich bei Musik bestens zu amüsieren. Durch die Arbeiten zieht sich ein versöhnlicher Ton, der jedoch nicht beschwichtigt, sondern den Blick auf Handlungsmöglichkeiten eröffnet, die mancherorts noch utopisch scheinen mögen. Güreş’ Werke sind fein und bedacht durchkomponiert. Nur an einer Stelle wird es etwas platt – nämlich dort, wo die Künstlerin einer Säule (wegen ihrer angeblich phallischen Form offensichtlich männlich konnotiert) Röcke anzieht, die unterschiedlichen Typisierungen von Frauen folgen. Derlei bleibt jedoch die Ausnahme, Gott oder Allah sei Dank.

Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Nilbar Güreş: Nilbar Wien-Na
07.06 - 27.07.2013

Galerie Martin Janda
1010 Wien, Eschenbachgasse 11
Tel: +43 1 585 73 71, Fax: +43 1 585 73 72
Email: galerie@martinjanda.at
http://www.martinjanda.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa: 11-16h


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