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gelatin - Loch: Im styroporenen Bergwerk

Wer in der zweiten Juniwoche die riesige Halle des 21er-Hauses betrat, stellte sich vor allem eine Frage: Wieso kann man eigentlich nicht öfter Künstler öffentlich bei der Arbeit beobachten? Denn die Atmosphäre, die Gelatin bei ihrer schlicht betitelten Ausstellung „Loch“ schufen, war unvergleichlich: Während im Erdgeschoss ein junger Mann in zerfetztem Brautkleid eine Bierflasche schwenkte und fidel durch den Raum hüpfte, ein Nackter Skulpturen bearbeitete, ein älterer, Bärtiger, an amorphen Gebilden herumfeilte und der Noise-Musiker Philipp Quehenberger ebenso sphärischen wie ohrenbetäubenden Sound produzierte, seilten sich Gelatins und FreundInnen von der Decke ab, auf einen acht Meter hohen Styroporkubus, den sie nach allen Regeln der Kunst bearbeiteten. Beobachtete man die Jungs und Mädels von der Galerie aus, in der die ständige Sammlung präsentiert wird, fühlte man sich bald an ein Bergwerk erinnert: Da wurde gebohrt, gegraben, mit Äxten auf das poröse Material eingedroschen, gefräst und gesägt, die Anstrengung war den Beteiligten anzusehen. Die Formen, die derart schweißtreibend aus dem weißen Block gehauen wurde, goss man aus – und montierte sie sodann gemeinsam mit Styroporbrocken sowie teils kaputten Sperrmüll-Möbeln zu Skulpturen. Die Endprodukte dieser heiteren De- und Konstruktionsstudie stehen nun um den verbliebenen Styroporrumpf herum, etwas mitgenommenen Pflanzen gleich. An einem Tisch reihen sich teils demolierte Stühle aneinander, als erwarteten sie die Rückkunft der vielköpfigen Partie. Eine zerfetzte Rodel trägt skulpturale Masse, anderswo wurden Besen, Masten, Stockerl verwendet; poröses Styropor stößt auf hart gewordenen Beton, Kaputtes auf Intaktes – in Gelatins Skulpturenparcours wechseln die Gegensätze einander ständig ab, fügen sich zu einem Diskurs über das Bildhauerische schlechthin. Schade nur, dass der Arbeitsprozess nicht sichtbar wird; auch wenn die Stimmung kaum über Video transportierbar wäre, hätte man ein solches zumindest dezent am Rande der Ausstellung platzieren können. Die Aktion war nämlich schlichtweg sensationell.

Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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gelatin - Loch
05.06 - 29.09.2013

Belvedere 21
1030 Wien, Schweizergarten/Arsenal-Straße 1
Tel: +43 1 795 57-0
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere21.at
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h, Mi, Fr bis 21 h


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