Cash, Cans & Candy: Subkultur und Mainstream
Was einst in Brooklyn und der Bronx in der Subkultur am Rande der Legalität als revoltierende Aktion mit provokanten, oft grellen Spuren im öffentlichen urbanen Raum begann, präsentiert sich heute in den großen Galerien, Auktionshäusern, Messen und Museen der Welt, zählt dort sogar als obligate Komponente der Repräsentation von Contemporary Art. Das Scheinwerferlicht vor dem die „Sprayer“ einst flüchteten, ist ihnen längst zur Heimat geworden. Und: Street Art erzielt atemberaubende Preise. Die Bandbreite ihrer Geschichte ist enorm.
Vom Underground in den Salon – auch wenn es ein Salon in der (Noch–) Peripherie Wiens ist und auf einer ziemlich lang anhaltenden ständigen Baustelle, wie die HilgerBROTKunsthalle und GALERIE HILGER NEXT im 10. Wiener Bezirk. Der nicht enden zu wollende Großumbau in der ehemaligen Ankerbrotfabrik ist allerdings ein passender Rahmen, der einen symbolischen Hintergrund zur Entwicklung der Street Art abgibt. Renovierung und Revitalisierung, vor allem das Besetzen der bestehenden Substanz mit neuen Funktionen, Werten und Idealen ist der betriebsame, Lärm und Staub freisetzende Kontext, in den Ernst Hilger seine Ausstellung „Cash, Cans & Candy“ bettet.
In einem vergleichbaren dynamischen Progress befindet sich die hier präsentierte Street Art. Die differenten Tendenzen haben inzwischen eine Eigendynamik entwickelt, deren viele Facetten heute kaum überblickbar scheinen. Das Selbstverständnis der einzelnen KünstlerInnen, ihr Position-Beziehen im Kunstgeschehen und ihre Werke haben die Grenzen der als Street Art definierten Kunstform gedehnt, gesprengt und manches Mal eigentlich verlassen. Auch wenn man Grenzüberschreitung als ein Prinzip der Street Art ansehen will, unterläuft sie sich in reflexiver Hinsicht letztendlich mit diesem Akt in vielen Aspekten selbst. Aber vielleicht ist das sich selbst Unterlaufen ein unausweichliches selbstzerstörerisches Signum und integraler Teil der Street Art.
Viele der rund 50 bei Hilger gezeigten KünstlerInnen suchen nach wie vor den Bezug zur Straße zu halten. Der Silo der Ankerbrotfabrik wurde von Shepard Fairey, Faith47 und dem Künstlerduo Faile an drei Seiten großflächig bemalt. Am Tel Aviv Beach des Donaukanals schuf Alexis Díaz eine fantastische Wandzeichnung, sogar die Fassade des ehrwürdigen Theresianums soll beglückt werden. Alles geschieht mit Sicherheiten und behördlichen Genehmigungen oder Unterstützungen, eine absurde Antithese zur Anfangssituation der Street Art. Na gut. Thesen und Gesetzmäßigkeiten gilt es ja gerade in der Street Art sicher nicht zu befolgen. Die Teilnahme von sogenannten Szenegrößen und kaum bekannten (noch) in der Subkultur agierenden KünstlerInnen an „Cash, Cans & Candy“ bereitet eine durchaus anregende Mischung. Manche der vertretenden KünstlerInnen schützen durch ein Synonym ihre illegale Vergangenheit, andere zeigen in der Namenskreation ihre oft bedeutende Relation zu medialen Kommunikationssystemen und sozialen Netzwerken auf. Aktualität haben die aufgestellten Positionen in jedem Fall, wenngleich in unterschiedlicher, manchmal auch weniger inhaltlicher aber dafür in populärer Hinsicht.
Das politische Engagement, das das grundlegende Potenzial der ersten Generation der Street Art war, ist bei Stinkfish kraftvoll spürbar, bei Dan Witz in einer subtileren, poetischen Form definiert. ROA treibt sein Spiel mit der Wahrnehmung in morbider Ästethik.
Die Fotografien von Brian Mc Kee sind eine formalisierte Reflexion auf Graffiti, überhöht, dramaturgisch gekonnt in Szene gesetzt und geben dennoch ein durchaus unverfälschtes Bild. Laura Ortiz Vega diszipliniert die Freiheit der Vorlagen in ihren Transformationen von Graffitis ins Textile wenn akribisch bunter Faden neben Faden gelegt wird. Vasilena Gankovska holte mit einer Tatoo–Performance eine als solche wenig anerkannte Kunstform in den Galerieraum - ihre Kunstwerke sind nun Teil der partizipierenden Personen.
Mancher Künstler bleibt seinem Muster treu, bzw. einem Formalismus verhaftet. El Pez ist mit seinem immer wiederkehrenden (für manche) dekorativen Muster (konsequenter Weise ein grinsender Fisch) wieder erkennbar und hat sich seine Position am Markt mit Erfolg gesichert. Ja. Die Street Art hat die etablierte Kunstwelt erobert – oder sich erobern lassen. Die Medaille ist und bleibt zweiseitig und in jedem Fall widersprüchlich.
Die fulminant gefeierte Ausstellung bei Ernst Hilger soll darüber nicht hinweg täuschen, über die Ambivalenz der sogenannten Street Art. Sie verdeutlicht die gefällige, angepasste Seite, die in krassem Gegensatz zur permanent diskutierten Problematik der aktiven Szene im öffentlich zugänglichem Raum steht. Street Art KünstlerInnen betätigen sich nach wie vor nicht nur in New York oder anderen Metropolen, auch vielerorts in Wien, wie in U–Bahnschächten und auf Bahnhofsgeländen, in ihrer bunten, stets mutierenden Vielfalt und umstrittenen Ästhetik, anonym, oft getrieben von gesellschaftspolitischer Motivation und anarchistischer Besessenheit. Diese, die andere, die nicht zivilisierte Street Art und Grafitti–Szene wird als illegal eingestuft, wegen Sachbeschädigung durch Sprayaktionen behördlich verfolgt und mit Freiheitsentzug bestraft. Authentisch ist die Ausstellung bei Hilger vielleicht, das Szenario auf den Straßen, in den Schächten und Tunnels in jedem Fall.
01.06 - 14.09.2013
HilgerBROTKunsthalle
1100 Wien, Absberggasse 27
Tel: +43 1 512 5315 220, Fax: +43 1 603 0639
Email: brot@brotkunsthalle.com
http://www.brotkunsthalle.com
Öffnungszeiten: Di-Sa: 12-18h
Galerie Hilger NEXT
1100 Wien, Absberggase 27
Tel: +43 1 512 53 15, Fax: +43 1 513 91 26
Email: ernst.hilger@hilger.at
http://www.hilger.at/
Öffnungszeiten: Do,Fr 12-17 h