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Quasi una fantasia: Juden und die Musikstadt Wien: Der Welt erhalten geblieben

1936 waren die Wiener Philharmoniker "judenrein". Schon 1933 war Konzertmeister Hugo Gottesmann entlassen und keine Juden mehr aufgenommen worden. Die Musik hatte im polyglotten Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie Entwurzelten wie Gustav Mahler etwas wie Heimat gegeben. Bei einem Bevölkerungsanteil von ca. 9 % war rund ein Drittel der Wiener Konservatoriums-Studenten jüdisch, ebenso über 40 % der Toten beim Ringtheater-Brand von 1881. Wienerlieder jüdischer Komponisten wie Gustav Picks "Fiakerlied" mit seinem Refrain "I bin halt a echts Weanerkind" sollten sich aber bald als illusionär erweisen. Auch nichtjüdische Komponisten wie Anton Webern, Alban Berg und Ernst Krenek wurden pauschal für "jüdisch-negerisch" erklärt. "Der Welt abhanden gekommen", so der Titel eines von Gustav Mahler vertonten Gedichts von Friedrich Rückert, sind sie dennoch nicht. Max Brand etwa, Komponist der Oper "Maschinist Hopkins", entwickelte im amerikanischen Exil mit Bob Moog den Synthesizer. Wenn die Ausstellung es schafft, das Thema Musik auch optisch mitreißend und sinnlich zu vermitteln, so verdankt sich das auch der Architektur von Christian Prasser. Um durch die schlitzartigen Öffnungen auf die Exponate sehen zu können, muss man sich schon mal bücken. Ein zentraler Raum bietet Gelegenheit zum Audioguide-Hören von Musikbeispielen auf Nachbauten jener teils bequemen, teils etwas instabilen Sessel, die der Wiener Architekt und Theater-Revolutionär Friedrich Kiesler 1942 im Exil für Peggy Guggenheim entworfen hat. An den Wänden geben Gucklöcher Einblicke in Dokumente der Verfolgung und Emigration und thematisieren dabei auch den voyeuristischen Aspekt derartiger Einsichtnahmen. Die Vertreibung war endgültig. In perfider Weise sprechen noch die Wochenschauen der Nachkriegszeit, die von Emigranten auf Österreich-Besuch wie Bruno Walter und Alma Mahler-Werfel berichten, von deren "Aufenthalt in den USA" und "zwanzigjähriger Abwesenheit".
Mehr Texte von Iris Meder †

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Quasi una fantasia: Juden und die Musikstadt Wien
14.05 - 26.10.2003

Jüdisches Museum Wien
1010 Wien, Dorotheergasse 11
Tel: +43(1) 535 04 31, Fax: +43(1) 535 04 24
Email: info@jmw.at
http://www.jmw.at
Öffnungszeiten: So-Fr 10-18, Do 10-20 Uhr, Sa geschlossen


Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
Berufsverbot für den Ausstellungsmacher
Wolfgang Reitzi | 19.05.2003 07:39 | antworten
Das ist wahrscheinlich eine der schlechtesten Ausstellungen, die ich je gesehen habe. In Vitrinen mit einem "Sehschlitz" von ca. 60 cm Höhe werden Bilder ausgestellt, die höher als 120 cm sind und einen Abstand von der Verglasung von ca 20 cm haben. Nur mit Verrenkungen kann man erkennen, was auf dem Bild zu sehen ist. Auf Spiegel ist in schwarzer Schrift ein Text geschrieben, den man nicht lesen kann, wenn man davor steht, da man dann das eigene Spiegelbild sieht und nicht mehr die Schrift. Geht man einen Schritt zur Seite, um nicht mehr sich selbst zu sehen, so sieht man zwar die Schrift, kann sie aber kaum lesen, da die Paralaxe der Spiegelung dies verhindert. Es gibt Schrifttafeln die bis zum Boden beschrieben sind, aber es steht eine Wand so eng davor, daß man nichts mehr lesen kann. Soviel zur Präsentation. Zum Inhalt wäre zu sagen, daß das reichhaltige Thema verfehlt wurde. Was sollen denn die musealen Versatzstücke wie ausgebrannte Taschenuhren vom Ringtheaterbrand und die Hose eines Wunderkindes, wenn auf die wirklich Großen nicht eingegangen wird, außer daß ihre Namen an der Wand in einem Saal stehen. Auch konnte man sich nicht entschließen, die Spreu vom Weizen zu trennen: da werden Namen nebeneinander gestellt wie Erich Kleiber, Arthur Schnabel, Gustav Mahler und Karl Farkas und Mizzi (oder Fritzi) Masary. Farkas in Ehren, ich habe ihn geliebt, aber quasi una fantasia?
auch kleinkrämer lesen artmagazine!
robert zimmermann | 02.06.2003 10:50 | antworten
es fehlt bei herrn reitzi nur noch der hinweis, daß die objektbeschriftungen zu klein und zu tief unten angebracht sind. ich finde - wie iris meder und die nicht gerade unbedeutende nzz - die ausstellungsarchitektur im höchsten maße gelungen. und diejenigen, die meinen, man kann die hologramme nicht mehr sehen, sollen warten, bis die ausstellung vorbei ist. dann wird auch wieder hochkultur von populärkultur fein säuberlich getrennt.

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