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Von edel bis Pulp

Filmfestivals werden gerne mit starbesetzter, konsensfähiger Dutzendware eröffnet, nicht so die Diagonale: Der diesjährige Eröffnungsfilm „Paradies: Hoffnung“ von Ulrich Seidl, der letzte Teil seiner „Paradies“-Trilogie, ist weder das eine noch das andere. Die fesselnde Geschichte einer 13-Jährigen im sommerlichen Abspeck-Camp entfaltet sich im atemberaubend unspektakulären Ulrich-Seidl-Stil, gefilmt in den wie immer schönen Bildern von Wolfgang Thaler, die dem Zuseher zu den bekannten Nöten der Adoleszenz auch noch die Peinlichkeiten des körperlichen „Aus-der-Norm-Seins“ vor Augen führen. Wie in den beiden Vorgängerfilmen „Paradies: Glaube“ und „Paradies: Liebe“ geht es um das Begehren der jeweiligen, mit den anderen beiden verwandten, weiblichen Hauptfigur, und um deren schon fast zwangsläufiges Scheitern. Es war ein Auftakt, der Lust auf mehr avanciertes Kino machte. Wesentlich stromlinienförmiger ist dagegen der mit dem Großen Diagonale-Preis ausgezeichnete Spielfilm „Der Glanz des Tages“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Wie schon im Vorgängerfilm „La Pivellina“ schwelgt das Filmemacherduo wieder in erprobter, schon etwas klebriger Sozialromantik an Randbereichen der bürgerlichen Gesellschaft. Das Ergebnis „menschelt“ vorhersehbar. Schon sehr viel überzeugender ist die Auszeichnung von „Fahrtwind – Aufzeichnungen einer Reisenden“ von Bernadette Weigel als bester Dokumentarfilm, der völlig zu Recht auch noch Preise für Bildgestaltung, Schnitt und Sounddesign erhielt. Den „Fahrtwind“, den sich die Filmemacherin auf ihrer Reise über Bulgarien nach Rumänien, in die Ukraine, nach Georgien, Aserbaidschan und Kasachstan um die Nase wehen ließ, vermag ihr Opus virtuos wiederzugeben, indem es ohne viel Kommentar auf eine sehr unmittelbare, erfrischende Weise von zufälligen Begegnungen und Begebenheiten berichtet, die den Begegneten Alltag sein mögen, dem Zuseher aber zu reinen Glücksfällen werden. Ebenfalls sehr zufrieden macht die Auszeichnung von „FORÊT D’EXPÉRIMENTATION“ von Michaela Grill mit dem Preis für Innovatives Kino. In wunderschönen Bildern flirrt der Wald vor den Augen des Zusehers, changieren die Ebenen vom Gegenständlichen zur Abstraktion und wieder zurück. Auch jenseits der preisgekrönten Filme gab es wieder viel zu entdecken. Den Experimentalfilm „von links nach rechts, von oben nach unten“ von Flora Watzal etwa, in dem die Künstlerin mit dem historischen Genre der Tableaux vivants spielt: Scheinen Menschen und Teile des Interieurs erst still zu stehen, so kommt alsbald Bewegung ins Bild, indem Details in einzelnen Rechtecken „ausgeschnitten“ und digital versetzt werden. Dieses Treiben wird immer heftiger und steigert sich zu immer neuen, faszinierenden Varianten. Oder der Essayfilm „Dominant Fiction“, eine Reisegeschichte von Manuela Mark, die von den gegenseitigen Klischeebildern der Fremdheit zwischen Japan und dem Westen erzählt. Oder „Perfect Garden“, der neueste, wieder einmal visuell sehr gelungene und äußerst kurzweilige Tanzfilm von Mara Mattuschka und Chris Haring. Oder die beiden Personalen zu Michaela Grill und Josef Dabernig. Oder die Filme des deutschen Regisseurs Dominik Graf. Oder die Filmreihe über Austian Pulp: Oder haben Sie schon einmal von einem österreichischen Horror-Spektakel namens „Die Wölfin vom Teufelsmoor aka Tod im November“ gehört? www.diagonale.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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