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Portrait Otto Hans Ressler: Passion – Triebfeder für den Erfolg

Wir schreiben das Jahr 1992. Alfred Karny begeht einen großen Fehler, der zu schwerwiegenden Folgen führt. Er, amtierender Generaldirektor des 1707 gegründeten staatlich geführten Wiener Auktionshauses Dorotheum – von den Wienern liebevoll „Pfandl“ genannt –, hat zwar das Pfandgeschäft entstaubt und den Freiverkauf modernisiert, seine Kunstabteilung hingegen durch ständige Um – und Neuorganisationen, zuletzt mit dem Verkauf des Kunstpalais in der Dorotheergasse 11 an die Stadt Wien verunsichert. Otto Hans Ressler, seit 1986 Direktor dieser Kunstabteilung hat nun endgültig genug. Er verlässt den von der Gewerkschaft mit arbeits – und sozialrechtlichen Vorschriften einzementierten beamteten Apparat und gründet zusammen mit den arrivierten Kunsthändlern Giese, Schweiger, Scheed, Kovacek und dem Rechtsanwalt Ploil „Die Wiener Kunstauktionen Ges.m.b.H.“ , die nun umsetzten was sie selbst vom Dorotheum erwartet, dort aber nie gefunden haben. Qualität, Fachkompetenz, kundenorientiertes Service, Flexibilität, Internationalität und günstige Konditionen. 20 Jahre später sieht man auf eine Erfolgsstory zurück, die ihresgleichen sucht. Seit der ersten Auktion am 2. und 3. Dezember 1993 in der Beletage des von Wilhelm Holzbauer damals neu errichteten Kärntnerringhofs, Sitz des jungen Unternehmens, ging es stetig bergauf. In die österreichische Geschichte eingegangen ist u.a. die legendäre Auktion am 6. Juni 1998 mit Egon Schieles kunsthistorisch bedeutsamen Gemälde „Mädchen“ von 1917, dessen problematische Provenienz Rudolf Leopold nicht davon abgehalten hat letztendlich satte 3,562.400 Euro auf den Tisch zu blättern. Die Turbulenzen im Vorfeld dieser Auktion inspirierten Ressler Jahre später zu einem Buch. Im „Das Mädchen mit dem Hut. Die wahre Geschichte eines fiktiven Bildes“ schreibt er auf Seite 118. Zitat: ...Die Anspannung im Saal befand sich auf dem Siedepunkt, Hans Weinprecht forderte, der Auktionator möge endlich zuschlagen. Selbst er, der sonst stets so gelassen zu bleiben verstand, wirkte nun angegriffen und aufgeregt. Nach mehrmaligem Wiederholen des Mantras „Zum Ersten – Zum Zweiten“ und als definitiv klar war das der Telefonbieter kein weiteres Angebot abgeben würde erfolgte der Zuschlag. „Zum Dritten! Um 10,7 Mill. Euro an den Herrn in der ersten Reihe!“... Zitat Ende. Der Zuschlag - eine Sensation, genauso wie 15 Jahre zuvor. Das zum damaligen Zeitpunkt höchstdotierte Kunstwerk im gesamten deutschsprachigen Raum wechselte in die Sammlung Leopold. Otto Hans Resslers Einstieg in die spannende Welt des Kunstmarktgeschehens erfolgte 1978 allerdings ganz profan. Als gelernter Bankkaufmann kam er ins Grazer Dorotheum wo er feststellte dass das Haus neben seiner Banktätigkeit auch Kunst versteigerte. Schon bald fand er die Wechselwirkungen zwischen Kunst und Business wesentlich spannender als Spareinlagen zu bearbeiten und so begann er dort Sonderauktionen für Kunst und Antiquitäten abzuhalten, 6 Jahre später auch für Zeitgenössische Kunst. 1986 kam er dann nach einer Ausbildung zum Schätzmeister für Möbel des 18. und 19. Jahrhunderts in die Wiener Zentrale des Unternehmens und dirigierte mit großem Elan und Leidenschaft die Kunstabteilung. Durch persönliches Engagement, aber auch durch jenes einiger Kunstexperten – man denke nur an Dr. Peter Wolf und seine „Alten Meister“ – stiegen die Umsätze. Bis zum Dezember 1992. Ab dann bekam das damals Monopolstellung innehabende Dorotheum ernstzunehmende Konkurrenz, was rückblickend betrachtet zum großen Plus für den Standort Wien als Umschlagplatz für hochpreisige Kunstwerke geworden ist. Heuer feiern die 1999 ins Palais Kinsky übersiedelten „Wiener Kunstauktionen“ – jetzt kurz „im Kinsky“ genannt – 20 – jähriges Jubiläum. Otto Hans Ressler, der bis vor 2 Jahren geschäftsführender Gesellschafter gewesen war und jetzt im März das letzte Mal in seinem Spezialgebiet „Zeitgenössische Kunst“ den Hammerschlag fürs Meistgebot führte, tritt nun mit Vollendung seines 65. Lebensjahres in den Ruhestand. Allerdings nicht ganz. Laut eigener Aussage möchte er sich jetzt vermehrt dem Schreiben widmen, was er ja auch schon früher getan hat wie man weiß. Man denke dabei nur an seine in den letzten 10 Jahren erschienenen äußerst informativ gehaltenen Publikationen „Der Markt der Kunst“ von 2001, „Was ist es wert“, 2005 oder etwa „Der Wert der Kunst“ 2007. „Das Mädchen mit dem Hut“, aus dem Jahr 2010 und das Anfang April des heurigen Jahres erscheinende Buch „Die Gerechtigkeit der Hölle“ sind im Gegensatz zu seinen Sachbüchern im Bereich der Faction-Literatur angesiedelt, verweben also Fakten und Dichtung miteinander. So hatte Ressler 2010 den Sammler Rudolf Leopold vor Augen, diesmal den Maler Max Beckmann. Hingegen soll „Die Fälschung“, die kurz vor der Vollendung steht, reine Fiktion sein. Aber ist sie das wirklich? Was unbedingt in dieser Reihe noch fehlt wäre die fiktive Geschichte eines Mannes, der auszog, um in einem kleinen Land am entfernten Rande des Ozeans, die Geschicke des Handels mit Strandgut aller Art zu revolutionieren. Interessanter Stoff – allemal!
Mehr Texte von Marlies Passow-Brunnbauer

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