Werbung
,

Nullinformation

Der Moment war selten peinlich. Die Moderatorin konfrontierte den Politiker in der Studiodiskussion mit einer Funktion, die er in einer bestimmten Zeit ausgeübt habe. Der Politiker – noch dazu Mitglied einer jener Parteien, die absolut überhaupt nicht gehen – korrigierte sie, woraufhin sie auf ihren Daten beharrte. „Woher haben Sie das?“, fragte er, der Unsympathler und Lebensmensch, und freute sich danach geradezu diebisch über die Antwort. Sie lautete nämlich: „Aus Wikipedia“. Man solle lieber auf der Parlaments- oder Parteihomepage nachsehen, empfahl er süffisant. Leider ein Punkt für ihn. Wikipedia ist als Quelle völlig untauglich. Nicht nur, wenn es um Nationalratsabgeordnete mit Hang zum Solarium geht, sondern vor allem, wenn man irgendwas über Kunst nachschlagen will. Denn es ist eben genau nicht das eingetreten, was man sich vom globalen Wunderwerk erwartet hat, dass nämlich AutorInnen aus purer Freude in nächtelanger Kleinarbeit an der unendlich großen Enzyklopädie mitschreiben und wechselseitig ihre Einträge derart korrigieren und ergänzen, dass diese nicht nur permanent aktualisiert, sondern auch richtig sind. Doch die Richtigkeit von Information bezieht sich nicht nur auf dürre Fakten, sondern auch auf deren Gewichtung. Eine stichprobenartige Wikipedia-„Recherche“ zu den wichtigeren österreichischen KünstlerInnen ergab – wenig. So kommt etwa der Eintrag zu Franz West mit rund 1.700 Zeichen aus, zuzüglich einer Biografie, Quellenverweisen sowie einer aus exakt drei Titeln bestehenden, natürlich alles andere als aktuellen und aussagekräftigen Bibliografie (gilt so eine kurze Bücherliste überhaupt schon als eine solche?). VALIE EXPORT: 1.600 Zeichen, aus denen wir erfahren, dass sie (angeblich) zwei Schwestern hat sowie die exakten Daten von einzelnen Ausstellungen. Von ihren Aktionen wie dem Tapp- und Tastkino, von ihren Fotoarbeiten ist allerdings nicht die Rede. Auch Heimo Zobernig ist in 1.600 Zeichen abgehandelt, seine große mumok-Ausstellung kommt nicht vor. Zu Maria Lassnig und Arnulf Rainer wusste die Schwarmintelligenz zwar mehr zu sagen, inhaltlich jedoch gewichtete sie ebenfalls merkwürdig: Bei Lassnig werden recht willkürlich zwei Werke herausgegriffen und als quasi paradigmatisch präsentiert, ähnlich bei Rainer, dessen Arbeit nur wenige Zeilen gewidmet sind. Aber überall wird sowohl auf den Katalog der Deutschen Nationalbibliothek als auch auf das documenta-Archiv verwiesen. Selbst wenn darin nicht mehr als die Anzahl der in Kassel vorhandenen Quellen zu finden ist. Exakt hier ist man dann tatsächlich am Punkt der Nullinformation angekommen.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: