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LOOS. Zeitgenössisch: Adolf Loos in heutigen Interpretationen

Vielleicht sollte man sich der Ausstellung über eine kritische Auseinandersetzung mit dem Titel nähern, der etwas unpräzise interessante und sehr vielschichtige Überlegungen zum Thema Loos wiedergibt. Ausgangspunkt für die Schau in Wien war ein Projekt des Architekturtheoretikers der Columbia Universität Yehuda E. Safran, der prominente Architekten einlud, ihre Sicht auf die Loos`sche Arbeit zu erläutern. Dort hieß das Projekt „Our Contemporary“, was inhaltlich eher das Gesagte wieder gibt und Loos als einen „Zeitgenossen“ von uns ausweist. Anlass für diese Überlegungen waren der 100. Geburtstag des Looshauses auf dem Michaelerplatz (*1911), das die Architekturtheorie Loos´ baulich verkörpert, und der noch immer aktuelle 105 Jahre alte Aufsatz „Ornament und Verbrechen“ von Adolf Loos. Wie sehr die handwerkliche Gestaltung, die Strukturierung von Interieurs, das Atmen von Innen- und Außenräumen in den Loos`schen Bauten für die zeitgenössischen Architekten neben den manifestartigen Postulaten wichtig sind, erläutern u.a. Hans Hollein, Hermann Czech, Álvaro Siza, Eduardo Souto de Moura, Jacques Herzog, Paulo Mendes da Rocha, Toyo Ito, David Adjaye, Steven Holl und Preston Scott Cohen. Die Videos sind am rechten Rand des Ausstellungsraumes in etwa 1,90 m Höhe angebracht und können mittels Kopfhörer und Untertitel verfolgt werden. Hermann Czech, der die Architektur der Ausstellung gestaltete, ließ kleine hölzerne Bänkchen entwerfen, auf denen man davor verweilen kann. Dennoch ist der starr nach oben gerichtete Blick für den Betrachter auf Dauer im Halswirbelbereich schmerzhaft, man nimmt während der Betrachtung unwillkürlich eine huldigende Position ein. Warum ist hier kein demokratischer Dialog zwischen Betrachter und Architekt auf Augenhöhe möglich? Warum gibt es keine waagrechte Blickachse, die vom Rezipienten von einem bequemen Fauteuil aus eingenommen werden kann? Die Interviews sind interessant und sagen etwas über die Kulturgeschichte der Architektur und ihre Wirkungsweisen aus, warum sie also an den Rand stellen? Und eine weitere kritische Frage muss sich diese Ausstellung gefallen lassen - warum interviewt Safran keine einzige weibliche Architektin? Dieses Manko tut der Betrachterin richtiggehend weh bei dem Rundgang durch die Ausstellung. Schließt dieses Fehlen unbewusst an die Ambivalenz an, mit der Loos weiblichen Geschöpfen begegnete? In dem zur Ausstellung erschienenen Katalog fragt der amerikanische Kunst- und Architekturhistoriker Philip Ursprung, warum wir noch immer von einem „wir“ sprechen angesichts eines Textes – „Ornament und Verbrechen“ – „dessen Tonfall eindeutig veraltet, rassistisch und kolonialistisch ist?“ Seiner These nach handelt der Text vom Verhältnis zwischen Architektur und menschlicher Arbeit. Und er führt ins Treffen, dass in der industriellen Hochblüte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Architektur nicht mit einer Produktivitätssteigerung mithalten konnte, also nicht zur Mehrung des Profits beitrug und eigentlich in der Vormoderne verhaftet blieb. Die „verbrecherischen niedrigen Preise, die den Stickerinnen ... bezahlt werden, gelten bis heute auch für die _Architekten, Zeichner und Bauarbeiter“. Loos schrieb quasi aus kapitalistischer und unternehmerischer Position, dass Ornament vergeudete Arbeitskraft sei. Loos, der sich in seinen Schriften als aristokratischer, aufgeklärter und toleranter Architekt präsentierte, schlug mit seinen Thesen und Haltungen quasi eine Brücke zwischen Vormoderne und Kapitalismus. Vielleicht macht diese originelle Idee die Facetten der Person Loos etwas verständlicher. Loos, der sich strikt gegen Gebrauchskunst aussprach, entwarf 1931 ein fulminantes Trinkservice für die Firma J.& L. Lobmeyr. In der Ausstellung sind nun ein Wodka- und ein Champagnerkühler ähnlich diesem Service erstmals zu sehen. Die Wiener Architekten Hubmann/Vass rekonstruierten die Kühler an Hand einer Skizze auf der Rückseite einer Visitenkarte. Weiters ist erstmals Material über Loos`sche Villa Karma und Begegnungen aus einem tschechischen Privatarchiv zu sehen. Sehr amüsant und doch auch den wienerischen Aspekt des Loos`schen Oeuvres hervorhebend ist die Fotoserie zur Performance des österreichischen Künstlers Heinz Frank von 1970 zum Loos -Text „Die Herrenmode“ von 1889. Darin spaziert der Künstler Heinz Frank in auffälligen Anzügen mit Wuschelhaar durch die Wiener Innenstadt. Alles in allem eine sicherlich interessante Ausstellung, in der weniger inhaltliche Ebenen ein Mehr an Auseinandersetzung ermöglicht hätten und das Fehlen der weiblichen Komponente eine große Leerstelle ist.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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LOOS. Zeitgenössisch
13.03 - 23.06.2013

MAK - Museum für angewandte Kunst
1010 Wien, Stubenring 5
Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-21, Mi-So 10-18 h


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