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Canaletto à Venise: Idyllen im perfekten Maßstab

"Es ist die Wiederherstellung eines Ideals", so Dresdens Galeriedirektor Bernhardt Maaz, als der berühmteste Blick auf Dresden im August 2011 in die Galerie Alter Meister zurückkehrte, erstmals restauriert seit seiner Entstehung im Jahre 1748. Des Direktors Wort bringt die Kunst des Venezianers Bernardo Bellotto, genannt Canaletto (1722 - 1780) - Künstlername exakt wie der seines berühmten Onkels Giovanni Antonio Canal (1697-1768) - auf den Punkt. Geht es sich doch ebenso beim jüngeren wie älteren Canaletto prinzipiell um die Herstellung von Idealen. Nach der Restaurierung nun eben noch heller, klarer, reiner als ohnehin alles innerhalb jener Veduten-Kunstproduktion – ob nun auf London, Venedig, Wien, Warschau Dresden, Rom, etc. gerichtet. Beide Canalettos lebten und starben rechtzeitig – die Erfindung und bald folgende Massentauglichkeit der Fotografie knappe 100 Jahre später hätte ihnen vermutlich wirtschaftlich das Genick gebrochen - zumindest das Herz. Das Ganze ist darüber hinaus ein kunstgeschichtliches Doppelphänomen mit exakt identischen Bildprogramm. Nun feiert derzeit das Pariser Musée Maillol bis zum 10. Februar mit "Canaletto à Venise" mit gut 50 Venedig-Veduten jenen älteren Canaletto. Fraglos ein brillanter Wiederholungstäter, ein Fotorealist und pioniermäßiger Benutzer der Camera Obscura (in Paris rekonstruiert zu sehen), um die authentische architektonische Maßstab-Perfektion gleichsam auf die Spitze zu treiben: eine risikofreie Kopieranstalt via Lochkamera. Im Vergleich zu dem sehr ähnlich arbeitenden, allerdings reiselustigeren Neffen Bernardo (Bellotto) Canaletto, sind die Lebens- und Veduten-Stationen des Antonio (Canal) Canaletto übersichtlicher: Venedig, London, Venedig. Ausgebildet in der Bühnenbildner-Werkstatt seines Vaters, ist der inszenierend staffelnde Blick gleichsam genetisch vorgegeben. Selten lässt Canaletto die Vignetten des Allzumenschlichen aus - Kinder und Hunde, Spaziergänger am Ufer, die Boote der Händler - wenn es auch oft schablonenhaft wirkt. Es folgen die Weitwinkel-Fassaden der Kirchen, Plätze, Palazzi-Reihen, davor nicht selten ein Canale, ob nun grande oder piccolo, darüber ein stets heiterer Himmel. Idyllen, erfolgreich zu allen Zeiten und als Erinnerungskonserven daher ein garantiertes Geschäft. So schön das Licht-Schatten-System auch gesetzt sein mag und sich im Laufe der Jahre durchaus verfeinert: hier wird nicht Licht oder gar mit Licht gemalt, wie hundert Jahre später die Impressionisten, sondern, vergleichbar einem Filmset, werden die Scheinwerfer ständig in Position gebracht, dies unter dem Diktat des perspektivischen Fluchtpunkts. Dabei offenbart Canalettos Zeichenheft im Grunde, was an tatsächlicher Handschrift vorhanden war, gewesen wäre hinter dem dann doch recht gerasterten Bauprogramm seiner venezianischen Schaustücke in Öl. Eine Ausstellung in der Londoner National Gallery im Jahre 2010 geriet da aufschlussreicher als das 50fach addierte Canaletto-Venedig derzeit in Paris – wobei das Publikum strömt. In London ging es um Canaletto und seine Rivalen (Guardi, Bellotto, Marieschi). Die Venedig-Konkurrenz war damals sehr groß und sehr gut, und der vergleichende (austauschbare?) Blick brachte hier in Sachen Canaletto zumindest einen Entmythlogisierungseffekt. Zu vermuten ist ferner, dass der britische Konsul in Venedig, John Smith, für die Marktführer-Position Canalettos im Venedig-verrrückten London sorgte. Kunst und Vermarktung gehörten also immer schon zusammen. Hämischer fiel der Canaletto-Kommentar des Italien-Kunstkenners Roberto Longhi aus: herausgekommen sei eine Art filmischer Historienschinken, aber in Technicolor.
Mehr Texte von Roland Groß

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Canaletto à Venise
19.09.2012 - 10.02.2013

Musée Maillol
75007 Paris, 61, rue de Grenelle
Tel: +33 1 42 22 59 58, Fax: + 33 1 42 22 46 44
Email: contact@museemaillol.com
http://www.museemaillol.com/
Öffnungszeiten: 10.30 - 19 h


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