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Paris Photo 2012: Vom Grand Palais Richtung L.A.

Wohltuend licht ist es im Grand Palais, an diesen nieselig-nebligen Novembertagen. Dass der Umzug der weltweit wichtigsten Messe für Fotokunst an diesen Ort lohnenswert war, bewies auch ihre heurige Ausgabe. Anders als im letzten Jahr verzichtete Julien Frydman, der Direktor des Salons, auf einen Länderschwerpunkt. Stattdessen sollen einen ab nun unter dem Motto „Vu par...“ kunstaffine Persönlichkeiten durch das Labyrinth der Kojen leiten. Mit seiner Wahl von 99 Bildern durfte man sich heuer mit David Lynch auf einen leicht befremdlichen, beklemmenden Parcous einlassen. Wie Establishing Shots oder Filmstills wirkten die mit einem Etikett markierten Fotografien, immer etwas mysteriös, abgründig, potenziell narrativ. Das Durchblättern des dazu erschienen Bandes „Vu par David Lynch“ (Edition Steidl 2012) ergibt tatsächlich so etwas wie einen seiner Filme. Ein gezielter Fingerzeig gewiss auf die Ausweitung von Paris Photo in Richtung der bewegten Bilder – Ende April 2013 nämlich wird die Messe erstmals auswärts, im Ausland eröffnen, in den prestigiösen Paramount Picture Studios in L.A. Nicht allein war und ist die Ikonografie Hollywoods seit je einflussreich auf fotografische Bildfindungen. Mit der Wahl der kalifornischen Kunstkapitale kommt man in erster Linie potenten PrivatsammlerInnen aus der Filmindustrie entgegen. Dem Beispiel der Art Basel folgend, die seit 2002 eine Filiale in Miami etablierte, oder jenem der Londoner Frieze, die sich seit heuer via New York direkt auf den mit Abstand einträglichsten US-amerikanischen Markt begibt, erhofft sich auch Paris Photo weiteren Status- und monetären Gewinn. An all dem mangelte es zuletzt nicht. Mit 54.157 BesucherInnen stieg die Frequenz im Vergleich zum Vorjahr abermals an, und vor allem die kaufkräftige Klientel aus Übersee war gut vertreten. Die programmatische Öffnung Richtung fotografischer Bildproduktion zeitgenössischer KünstlerInnen vermochte ein recht breites und buntes Spektrum an Interessierten anzuziehen. Die entsprechenen Galerien ihrerseits, allen voran Schwergewichte wie Gagosian, David Zwirner oder Karsten Greve, durften wiederum von der Präsenz auf Fotografie fokussierter SammlerInnen profitieren. Mehr als die Hälfte der Messe wurde diesmal folglich von Kunstgalerien bestritten; das von den insgesamt 128 Ausstellern Gezeigte war durchwegs ambitioniert und qualitativ von höchstem Rang – was beim durchschnittlichen Preis von 20.000,- € für einen 40qm-Stand (Personal, Wände, Beleuchtung, Steuern exklusive) wohl auch zu erwarten ist. Auf eine einzelne Position konzentrierte Präsentationen verfehlten ihre Wirkung nicht, etwa Timm Rautert bei Parrotta mit seiner „Bildanalytischen Photographie“ oder Joel-Peter Witkin bei Baudoin Lebon. Neben den omnipräsenten Motiven von Modefotografen (Richard Avedon, Peter Lindbergh, Helmut Newton, Irving Penn, Herb Ritts) bot sich erfreulich viel Rares aus den 1950er-, 60er-, 70er- und 80er-Jahren – darunter zunehmend mehr Pressefotografien; am markantesten wohl jene Bilder der US Army und Navy von Welkriegs-Bombardements, den Verwüstungen in Hiroshima oder Versuchen am Bikiniatoll sowie Aufnahmen der NASA nach der Mondlandung (Daniel Blau). Und, neu im Kontext der Messe: oft kaum merklich bewegte Bilder in Form objekthafter Screens, von denen eine kontemplative Wirkung in der Art eines Aquariums ausging: Schatten von Passanten huschen diffus vorüber, Wellen branden an (bei Bryce Wolkowitz); der Verkehr auf einem Autobahnkreuz zieht still und im doppelten Sinne seine Schleifen (bei Taiji Matsue). Trotz der gesteigerten Präsenz von Kunstgalerien zeigten sich auf das 19. Jahrhundert Spezialisierte wie Hans P. Kraus, Robert Hershkowitz oder Michèle Chomette dennoch zufrieden. Die Magie von Daguerreotypien und die „Erotik“ der Textur von Salzpapierabzügen und (Wachs-)Papiernegativen lässt sich gerade im Kontrast mit der meist hochglänzenden Glätte heutiger Prints wahrnehmen. Auf zunehmendes Interesse stößt auch anonyme Fotografie aus der Frühzeit des Mediums (Lumière des Roses), die vermehrt auch von Museen erworben wird. Diese ist am ehesten auch einem schmaleren Portefeuille zuträglich – so wie manches der gezeigten Kleinformate: Unter dem wohlfeilen Titel „Small is beautiful“, einer Schiene des den November über in Paris stattfindenden Festivals Mois da la Photo, war auch eine kleine Auswahl im Grand Palais zu sehen, die demonstrierte, dass für bereits 200,- € feine Werke zu erstehen sind, die zudem über ihren Charakter als Preziosen kokettieren. Neben einzelnen Polaroids und Postkarten bieten sich freilich vor allem Fotobücher zum Einstieg für (junge) SammlerInnen an, und künstlerisch konzipierte Bände bleiben als Investition weiterhin interessant: 23 Verleger waren heuer mit ihrem Sortiment vertreten, flankiert von der Ausstellung „Livre ouvert“, die über diverse Drucksorten und Kataloge die Entwicklung der Becherschen „Typologien“ vor Augen führte.
Mehr Texte von Ulrike Matzer

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Paris Photo 2012
15 - 18.11.2012

Paris Photo
75001 Paris, Grand Palais, avenue Winston-Churchill
Tel: + 33(1) 41 90 47 70, Fax: + 33(1) 41 90 48 77
Email: parisphoto@reedexpo.fr
http://www.parisphoto.fr


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