Werbung
,

Meteoriten im Museum

Die Maschinen und Börsen laufen auf Hochtouren, die Moden und Kampagnen wechseln rascher als die Jahreszeiten, die persönliche Aufmerksamkeit kommt der Nachrichtenflut nicht mehr hinterher – man könnte glatt verzweifeln!

Doch zum Glück gibt es auch Museen. Im Museum ist alles viel langsamer. Museumsbesucher rennen und eilen nicht. Auch das gezeigte Angebot ändert sich nicht ständig. Im Gegenteil, eines der wichtigsten Prinzipien eines Museums besteht just in seinem Versprechen, dass es seinen Bestand (inklusive Sammler und Stifter) für immer bewahren wird. Mag draußen also kommen und gehen was will, im Museum ist man vor solchen Rotationen geschützt. Sind Dinge erst einmal in einem Museum gelandet, werden sie in einem emphatischen Sinne „überleben“. Genau das macht heute das Prinzip Museum so attraktiv. Nicht zufällig ist ja auch die Wichtigkeit der Restauratoren in den letzten Jahren stark gestiegen. Sie sind heute die wahren Priester, denn jedes Museum verspricht vor allem und nichts weniger als „Ewigkeit“.

Ganz handgreiflich zu genießen war das immer schon im Wiener Naturhistorischen Museum. Da weht der Hauch der Ewigkeit durch so manches millionenalte Gerippe. Besonders erhaben aber ist das Gefühl im legendären Meteoritensaal. In vielen alten Pultvitrinen lagert dort die weltweit älteste und größte Meteoritensammlung überhaupt. Doch was heißt schon alt angesichts der dort ausgestellten Objekte? Älter als Meteoriten geht schlicht nicht! Stammen sie doch aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren selbst. Sie sind damit die magische Opposition zu allem irdischen Material. Während die terrestrische Geologie nämlich – wie das alltägliche Leben ¬– einem beständigen Veränderungsprozess (Eruption, Überlagerung, Erosion, Sedimentation) unterworfen ist, zeugen diese hell vom Himmel gefallende Steine unmittelbar und immerwährend vom Anfang. Das ist wahre Ewigkeit! Zudem war man als Besucher in den letzten Jahrzehnten im Meteoritensaal meist ganz allein. Die daraus resultierende Stille machte die Ausstellungsstücke noch erhabener.

Doch nun, letzte Woche, wurde der Meteoritensaal neu eröffnet. Die Pultvitrinen blieben erhalten, die Seitenwände jedoch wurden mit informativen Tafeln und Multimediaanimationen gefüllt und eine große Werbekampagne wurde gestartet. Seitdem strömt viel mehr Publikum durch den Saal. Der Zauber aber ist erstaunlicherweise geblieben. Manche neue Informationen wie jene über die Entstehung der chemischen Elemente in den Brennkammern von Sonnen, Supernovae und Roten Riesen vermögen den heiligen Schauer sogar noch ein wenig zu erhöhen. Nichts wie hin also!

Denn auch in der zeitgenössischen Kunst haben Meteoriten Konjunktur. Bereits 1999 ließ Ecke Bonk dem heranwachsenden Wiener MuseumsQuartier einen Meteoriten als Grundstein einpflanzen. Im selben Jahr machte auch Maurizio Cattelan in Venedig mit einer lebensechten Figur von Papst Johannes Paul II Furore, die von einem Meteoriten niederstrecken wurde („La Nona Ora“). Dieses Jahr wiederrum war der argentinische Meteorit „El Chaco“ Impulsgeber für die documenta in Kassel und bereits im Frühjahr eröffnete in einem der Eingänge ins MQ die so genannte „Meteoritenpassage“. Das Zitat von William Blake, das dort groß die Wand ziert, ist wie ein Motto für Kultur schlechthin: „Born in Stars We Live on Earth as Poets“.

Mehr Texte von Vitus Weh

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: