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Verbrechen und Strafen

Nett war es wieder auf der Viennale und für jeden etwas dabei. Nicht alles konnte immer überzeugen, doch war in diesem Fall der bessere Film, meist in einer der Retrospektiven und Specials über Fritz Lang, Michael Caine, Wolf Suschitzky, den Horrorfilm oder „Five Women“, fast immer bloß eine Vorstellung weit entfernt. Ohne eigentliches Thema lassen sich doch einige Highlights benennen. Gleich zu Beginn der 50. Ausgabe des beliebten Filmfestivals lockte die Dokumentation „Marina Abramovi?: The Artist is Present“ Wiens Kunstvolk ins schöne Gartenbau-Kino, ein informativer, um die beeindruckende, gleichnamige Abramovi?-Performance-Ausstellung von 2010 im MOMA arrangierter Film, in dem, besonders gegen Ende, viel amerikanische Emotion von der Leinwand ins Publikum schwappt. Wie kühlender Balsam dazu verhielt sich William Friedkins schwarzer, tragikomischer Thriller „Killer Joe“. Darin brilliert Matthew McConaughey als Killer-Cop, der die Exfrau des Trinkers Ansel Smith und Mutter seines bei einem Kredithai verschuldeten Sohnes Chris und dessen naiver, adoleszenter Schwester Dottie, killen soll, damit Dottie die Lebensversicherung der Mutter „erbt“. Bis zur Auszahlung soll sie als „Pfand“ dem Killer sexuell zu Diensten sein. Sehenswert ist, wie sich von einer Panne zur nächsten die Schlinge um alle Beteiligten immer weiter zuzieht und man trotzdem bis zum Schluss nicht weiß, wer gefährlicher ist: der brutale, schlangenhaft sinistre Killer oder die nahezu gleichbleibend heiter wirkende Dottie. Ebenfalls die Schattenseiten des american way of life thematisiert Werner Herzog in seiner vierteiligen Dokumentation „On Death Row“ über Insaßen in amerikanischen Todeszellen. Herzog outet sich zu Anfang als Gegner der Todesstrafe und bietet einigen Verurteilten eine Bühne für das Zurechtbiegen ihrer eigenen Lebensgeschichte an, während er sehr wohl auch die Ermittlungsergebnisse und Fakten dazu einfließen lässt. So entstehen eindrückliche, zwischen Neugier, Sympathie, Mitleid und Misstrauen changierende Portraits von Männern im archaischen Strafvollzug einer als zivilisiert geltenden Nation. Von einem (ungesühnten) Verbrechen handelt auch der Spielfilm „Tabu“ des Portugiesen Miguel Gomes. Was wie eine Alltagsgeschichte über eine einsame, spielsüchtige alte Dame beginnt, wandelt sich unversehens in die schillernde Erzählung einer großen Leidenschaft mit fast mythischer Atmosphäre. Diese Überraschung war sehr willkommen. Auch der diesjährige Überraschungsfilm war es. Im Thriller „Dans la maison“ lässt Regisseur François Ozon einen Lehrer über die Banalität der Französisch-Hausarbeiten seiner Schüler meckern, die aus lapidaren Beschreibungen unspektakulärer Handlungen bestehen, bis ihn eine Arbeit doch fesselt: ein Junge beschreibt, wie er sich mit einem Mitschüler anfreundet, nur um zu ihm nachhause eingeladen zu werden. Der Lehrer ermutigt ihn, mit etwas weiterzumachen, das schon recht streng nach Scheinheiligkeit und Betrug riecht. Eine unlautere Spirale aus Voyeurismus, Machtspielen und gegenseitiger Abhängigkeit führt auf schwarzhumorige Weise zum unausweichlichen Eklat. Dem Publikum hat das, wie schon so oft, gefallen. www.viennale.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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