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Sylvia Eckermann - Probabilis: Im Verbund des Ungreifbaren

Welche Überraschung! Durch den Rückspiegel der Zeit blicken wir auf einmal in ein Kabinett der analogen Künste. Skulptur, Installation, Lichtprojektion. Einen Raum mit dem Charakter einer Wunderkammer betreten wir, eine experimentelle Situation, in der ganz verschiedene Formen der Repräsentation unsere Sinne fesseln. Einzelne Begriffe in Versalien an die Wand projiziert oder als Zeichnung sich kreuzender Wörter. Ein Wortgeflecht, Gitter ähnlich wie ein ausgefülltes Schwedenrätsel, zurückgeführt auf seine schwankenden Grundfeste: Wörter wie "Fiktion", "Ereignis", "Utopie", "Selbstbild", "Instanz", "Spekulation" kann man da etwa von der Wand ablesen. Im Scheinwerferlicht, das eine Fläche wie die Tafel in einem Philosphie- oder – vielleicht sogar – Physikvortrag beleuchtet, ließe sich zwar ein Mittelpunkt ausmachen. Doch die Spiegelungen und Ergänzungen im Sinne assoziativer Verknüpfungen ergeben hier in erster Linie ein sich je nach Bedeutungslage und Schwerpunktsetzung krümmendes Netz. Hier etwa handelt es sich um die "Kartografie des Unbestimmten"; eines der Werke in der gerade laufenden Ausstellung "Probabilis".

Welche Überraschung also, dass die Künstlerin Sylvia Eckermann, die immerhin als eine der Pionierinnen der Digital Art in Österreich gilt, und die nicht zuletzt fasziniert von den sich rasant steigernden Möglichkeiten am Computer sehr früh bereits Andockstellen an die diversen Gamer-Communities gesucht hat, nun Rückgriffe in die Welt des Materiellen unternimmt und eine höchst konzise, aber dennoch sehr offene Rauminstallation konzipiert hat.

Nicht so überraschend, aber umso erstaunlicher ist es dafür, mit welcher Sicherheit und Souveränität die Künstlerin dabei vorgeht. Zwar bearbeitet sie Themen, die leitmotivisch in ihrer Arbeit wiederkehren, wie etwa Fragen nach der Erfassbarkeit von Wirklichkeit im weitesten Sinn. Diese belässt Eckermann jedoch nur selten in einer allgemein ontologischen Sphäre. Vielmehr spielt sie verschiedene Formen der Aufzeichnung wie Schatten des Realen durch; unlängst zum Beispiel in einer Video-Rauminstallation basierend auf einem Netz flatternden Nylonfäden sowie gesprochenem Text zu den zunehmend virtuellen Abläufen auf den Finanzmärkten im Rahmen des Festivals "Paraflows: Reverse Engeneering" im Jahr 2012.

Nun – längst angekommen im postmedialen Zeitalter – nimmt Sylvia Eckermann die Auseinandersetzung mit "Wahrscheinlichkeit" und "Kontingenz" auf, wobei sich letztgenannter Begriff am besten in den verschiedenen Konnotationsfeldern von "Zufall" verorten lässt. Wenn man dann noch davon ausgeht, dass "Wahrscheinlichkeit" zumeist auf in der Faktizität von Vergangenem basierenden Prognosemodellen beruht, dann erscheint es nur logisch, dass Eckermann auch Rückgriffe auf alte Medien unternimmt, um den fragilen Status gültiger Repräsentation von Wirklichkeit generell aufzugreifen. Tatsächlich stellt die Künstlerin Lichtprojektionen und Video – dieses gerahmt ähnlich wie ein klassisches Bild – unhierarchisch nebeneinander, während wir durch das Ticken eines Metronoms, dem unerbittlichen Ablaufen der Zeit zuhören können. Der Temporabilität der Kunstformen entspricht unser Erkennen der Realität jeweils für einen speziellen historischen Moment.

Selbst wenn vom Objekt "Tisch für meinen Vater" die Schwäne zum Gesang ansetzen, kann man nur hoffen, dass sich hinter diesem Pathos doch ein wenig Ironie verbirgt. Denn diese wundersame Ausstellung, in die man am liebsten wieder und wieder hingeht, um sie jeweils neu und von einer anderen Seite zu entdecken, kann doch nur Sylvia Eckermanns vorläufige Apotheose ihrer Auseinandersetzung mit der Wahrscheinlichkeit des Realen sein.

Mehr Texte von Roland Schöny

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Sylvia Eckermann - Probabilis
06.12.2012 - 16.02.2013

Kunstraum Bernsteiner
1020 Wien, Schiffamtsgasse 11 (Hof)
Tel: +43 664 3077097
Email: mail@friendsandart.at
http://www.friendsandart.at/
Öffnungszeiten: Mi-Fr 16-19 h


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