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Konfessionelle Museen

Eine der interessantesten Entwicklungen der letzten Jahre an der Schnittstelle von zeitgenössischer Kunst und Museum spielt sich – meiner Wahrnehmung nach – im Bereich der konfessionellen Museen ab. Darunter verstehe ich Museen, die von Glaubensgemeinschaften betrieben werden oder solche repräsentieren. Das Spektrum reicht also beispielsweise vom Museum des Stiftes Admont und dem Kolumba der Erzdiözese Köln, über das von der Stadt Wien betriebene Jüdische Museum in Wien und das vom deutschen Bund getragene Jüdische Museum in Berlin bis hin zum Essl Museum in Klosterneuburg, das von zwei Privatsammlern mit einem dezidiert evangelischen Ethos getragen wird. Gemeinsam ist ihnen allen ein sehr frischer Zugang zum Musealen inklusive dem Drang, sich mit ihren existentiellen Thematiken der zeitgenössischen Kunst und Architektur zuzuwenden. Besonders überraschend ist die Erneuerungswelle im katholischen Bereich, der vielen ja als chronisch rückständig gilt. Mit dem Kunstmuseum Kolumba in Köln ist 2007 aber ein Museum eröffnet worden, das für mich zu den schönsten der Welt gehört. Es ist kein übliches, kein volles, kein am kunsthistorischen Kanon interessiertes Museum. Stattdessen werden in ihm nur ganz punktuell zwischen historischen Objekten und zeitgenössischen Kunstwerken Dialoge, Reime und Echos gestiftet werden, die in den Besuchern spürbar resonieren. Die ausgestellten Werken erzeugen einen körperlich-räumlichen Widerhall wie einst in den großen Kathedralen die Gesänge. Die Museumsleitung selbst formuliert ihr Credo wie folgt: „Ein Museum als Garten, der stets wenige ausgewählte Werke wechselweise zur Blüte bringt. Die Suche nach einer übergreifenden Ordnung, nach Maß, Proportion und Schönheit ist als verbindendes Element aller künstlerischen Gestaltung der Leitfaden dieser Sammlung.“ Dass solch ein betont auf Form bezogener Ansatz just in einem konfessionellen Museum zum Tragen kommt, kann nur jene erstaunen, die sich Glaubensgemeinschaften als ausschließlich innerlich, geistig oder metaphysisch orientiert imaginieren. Tatsächlich knüpft die Kirche damit aber an eine ihrer ältesten und besten Traditionen an, nämlich für ihre jeweilige Gemeinde mittels ganz realphysischer Räumlichkeiten Vorstellungen von überzeitlichen Ordnungen ein- und abzubilden. Der romanische Kreuzgang, der gotische Chorraum, die barocke Kuppel, resp. der Gebetsraum einer Moschee: das alles waren ja fantastische Raumerfindungen, die dem jeweiligen körperlich-geistigen Glauben einer Zeit, d.h. der sozialen Mentalität und dem physischen Wollen einer jeweiligen Epoche materielle Resonanz und Kontinuität gaben. Wie und was man in einem Gotteshaus wahrnimmt und fühlt, definiert sich immer schon zu einem Großteil über seine Architektur und Ausstattung, seine räumliche Ordnungen und Bewegungsmuster. Liturgie ist im Wesenskern reine Form (heilige Gestaltung). Dass diese Maschinerie heute nicht mehr richtig funktioniert, liegt möglicherweise daran, dass nach der Barockzeit in den Kirchen keine durchgreifende bauliche Anpassung mehr stattgefunden hat. Die sozialen Mentalitäten änderten sich, die Kirchen aber blieben in ihrer eigenen Historizität gefangen. Das mag auch ihre inhaltlichen Probleme reflektieren. Heute sind es mehr die Architekturen und Inventarien der neuen Kunstmuseen in denen die Menschen nach Form gewordenen Sinnzusammenhängen suchen. Dass die katholische Kirche diese Verschiebung nun ihrerseits aufgreift, halte ich für sehr erfreulich. Der zeitgenössischen Kunst können ernsthafte Gesprächspartner und Auftraggeber nur gut tun. Umgekehrt auch.
Mehr Texte von Vitus Weh

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