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Parkfair - Arte Noah: Diskurskatalysator

Wo junge ambitionierte Kunst und etablierte tatsächlich aufeinander treffen, ist auf der PARKFAIR. Die parallel zur VIENNAFAIR laufende alternative Messeveranstaltung ging heuer in ihre zweite Runde und hat sich als ernstzunehmendes Gegenmodell entschieden durchgesetzt. Namhafte GaleristInnen und Institutionen kooperierten und unterstützten das ambitionierte Unternehmen von Iv Toshain und Matthias Makowsky. Am Parkdeck des Stadion Center waren für fünf Tage 49 künstlerische Positionen versammelt. Die PARKFAIR, diesmal unter dem Titel „ARTE NOAH“, kann als kuratierte Kunstshow in ungewöhnlichem oder als Verkaufsmesse in kleinem Rahmen betrachtet werden, beide Aspekte sind trotz geringer finanzieller Mittel mit Qualität realisiert worden. Iv Toshain und Matthias Makowsky, selbst KünstlerInnen, fungieren in diesem Fall zugleich als VeranstalterInnen, KuratorInnen und VerkäuferInnen und bieten diese Perspektiven jedem Interessierten als ein direktes Gegenüber an. Sie durchbrechen mit ihrer Initiative eingefahrene hierarchische Strukturen und bieten eine innovative Option an. Und KünstlerInnen, unabhängig ob in der nationalen oder internationalen Szene gut verankert oder nicht, ziehen mit. Der Schauplatz ist in seinen Eigenarten ideal. Abgesehen von der unmittelbaren Nähe zur gleichzeitig laufenden VIENNAFAIR - Thomas Feuersteins „PARALLEL GMBH“ grüßt blinkend hinüber - und der tatkräftigen Unterstützung von Seiten des Einkaufszentrums, greifen hier ausgestellte Kunst und urbaner Alltag vieldeutig ineinander: den Bedingungen der jeweiligen Wetterlage ausgesetzt, am Parkdeck eines Shopping-Tempels, wo sonst Autos (immer noch Statussymbol) temporär abgestellt werden, zwischen Sportstadion, Wohnanlagen und Vergnügungspark im Prater; die einzelnen Kriterien können durchaus als symbolische gesehen werden. An Stelle der Reklame lief an der LED-Wand der Fassade der Film „Talk without Words (Christopher Wool)“, den Marina Faust und Franz West als letztes Gemeinschaftswerk knapp vor Wests Ableben geschaffen haben. Innerhalb der Anlage intervenieren die Exponate und nehmen spezifisch auf ihr Umfeld Bezug. Es sind kaum herkömmliche Gattungen wie Malerei oder Skulptur vertreten, selbst die Gemälde von Hans Weigand sind beidseitig bemalt und fungieren auf Rädern als flexible räumliche Installation. Apokalyptisch wie die Darstellung darauf, offenbart sich die gesamte Szenerie der PARKFAIR. Siggi Hofers ambivalentes „LEERGEBLASEN“ scheint lose auf die Parkfläche gelegt, ist aber in dieser hintergründig durch die teilweise grün-gelbe Untermalung integriert. Heimo Zobernigs Styroporkubus liegt umgekippt wie aufgelaufenes Frachtgut am Boden. Constantin Lusers „Vibrosaurus“ ist gleichsam funktionstüchtige Metamorphose eines Relikts prähistorischer Zeiten. Katrina Daschner hat neben den Betonpfeilern raue Baumpfähle zwischen Boden und Plafond gestemmt, zur Unterstützung der Tragfähigkeit des Decks. Eva Schlegels Projektion auf einen laufenden Propeller thematisiert aufs Neue den freien Fall. Der aus Rudimenten konstruierte „Helikopter“ von David Moises ist offensichtlich gestrandet, oder gelandet, oder ist die letzte wenig versprechende Hoffnung, die sinkende ARTE NOAH verlassen zu können. Deren Anker, von Iv Toshain, liegt an einer leuchtenden gläsernen Halterung. Sofia Goscinskis elegantes Siegerpodest entpuppt sich als Wasserbassin. In einer direkten Aneinanderreihung durchschneiden Dejana Kabiljos Militärbetten („Occupy“) den Raum und suggerieren Fragment einer endlosen Linie zu sein. Bedrohung strahlt die Installation „Flutlicht“ des Künstlerduos „lichterloh“ in wahrhaftigem Sinn aus. Der im Zick-Zack gespiegelte und bewegte Laserstrahl ist akustisch synchronisiert. Die präzise und scharfe Dynamik der energetisch starken Lichtsituation in Kombination mit der beunruhigenden tonalen Untermalung bewirkt eine eigenartige Irritation zwischen anziehender Faszination und erschrockenem Zurückweichen. Nur kurz leuchtete gegen den nächtlichen Wiener Himmel, über das Dach der Wiener Messe und der VIENNAFAIR hinweg, Pirmin Blums „FUCK“ aus Neonbuchstaben. Die Hommage an Ai Weiwei musste in kürzester Zeit demontiert werden, weil sie öffentliches Ärgernis verursacht hatte. Die Debatte um künstlerische Freiheit und Zensur ist bereits entzündet. Die bewusst gesetzte Provokation hat funktioniert und auch in den Medien ihren mehr oder weniger sinnvollen Widerhall gefunden. Nun überdenken Künstler und Galerist weitere gerichtliche Schritte. Eine Konsequenz, die ganz und gar nicht im Sinne der beiden VeranstalterInnen der PARKFAIR ist. Die Hausherren des Stadion Center hatten sich als überaus kooperativ gezeigt, Parkdeck, LED-Wand und Strom kostenlos zu Verfügung gestellt und nicht aus freier Willkür die Demontage des Werks erzwungen. Die weitere Verfolgung einer billigen Propaganda, in der es letztendlich um Eitelkeiten und Geltungsgier geht, kann die eigentliche Intention der PARKFAIR nur konträr überdecken und somit effektiv unterlaufen. Denn die essentielle Thematik der PARKFAIR ist ihr Stellenwert als Katalysator zum Diskurs über das gegenwärtige österreichische Kunst(markt)geschehen, der vor Ort unmittelbar und unumgänglich aufgerissen wird – und bisher von der Öffentlichkeit leider wieder viel zu rasch im Ablegefach deponiert wird.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Parkfair - Arte Noah
19 - 23.09.2012

Parkhaus Stadion Center
1020 Wien,
http://parkfair.at


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