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VIENNAFAIR The New Contemporary: Kühl kalkulierte Sinneslust

Sergey Skaterschikov, der nun auf der VIENNAFAIR den Ton angibt, denkt global. Auf „The New Contemporary“ sollen künftig Rubel wie Dollar im großen Stil gegen gute teure zeitgenössische Kunst getauscht werden. Die meisten heimischen GaleristInnen zeigen sich gegenüber den hochfliegenden Ankündigungen skeptisch und breiten zum größten Teil einen vielseitigen Fächer an guter bewährter Ware aus. Die VIENNAFAIR sei weder ein Feld für KünstlerInnen der Topliga, noch eines um mit jungen Talenten am Markt zu experimentieren. Aber die VIENNAFAIR hat Potential zur Entwicklung, die eben von den ambitionierten russischen Strategen zur Weltklasse geführt werden will. Starthilfe soll unter anderem das eigens gegründete „Art Vectors Investment Partnership“ leisten, das jährlich mit Ankäufen auf der VIENNAFAIR um mindestens eine Million Euro eine Kunstsammlung aufbauen wird. Die von Edelbert Köb eingesetzte Jury hat dies auch am Eröffnungstag bei einer ansehnlichen Bandbreite von Galerien in die Tat bzw. in mehr als 50 Kunstwerke umgesetzt. Von den 122 Galerien auf der VIENNAFAIR bilden die österreichischen mit 41 und die deutschen mit 18 Ausstellern den traditionellen Kern. Neu ist natürlich die Verstärkung der russischen Fraktion, die von den beiden Kuratorinnen Christina Steinbrecher und Vita Zaman gebündelt wurde, bestehend aus sieben Galerien und der Sonderschau „Vienna Quintet“. Um keine falschen Erwartungen aufkommen zu lassen, wurde im Pressegespräch zwar dezidiert erklärt, dass auch russische Kunst nicht der Auflage von politischem Engagement unterliegen müsse. Aber sie kann dann doch sehr wohl unter die Haut gehen, wie etwa Vladimir Kustovs „Doctor Ruisha’s magic square, #2“ (Marina Gisich Gallery, St. Petersburg; 8.000€). Der Schwerpunkt Istanbul wurde beibehalten, die acht türkischen Galerien zeigen unter anderem in Wien gute Bekannte: Güslün Karamustafa stellte bereits im Belvedere aus und Behrouz Heschmat ist sogar Mitglied des Künstlerhauses. Karamustafa ironisiert mit „Karpuz“ (Wassermelone) Einflüsse aus Anatolien (Galerie RODEO) und Heschmat symbolisiert mit „green shrine“ den Kreislauf von Leben und Tod, wenngleich nicht wirklich konsequent, denn das Gras im Kenotaph ist aus Plastik (Galerie Mars Istanbul; 12.000€). Eine junge türkische Künstlerin findet sich dafür bei Martin Janda (Wien), Nilbar Güres übt mit „Yol Ayrimi“ („Junction“, aus der Serie „TrabZONE“) Gesellschaftskritik an ihrer kurdischen Heimat (10.000€). In den meisten künstlerischen Positionen wird zum kritischen Diskurs aufgefordert. Einen knallgrünen Teppich mit allerdings schwarzem Humor rollt Lena Cobangbang aus Manila auf („In the Green Situation“, Zimmermann Kratochwill, Graz; 5.500€). Gleichsam spielerisch transformiert Mark Wallinger seine Ironie in einen leicht gebeulte Plastilinball („Small World“, calier/gebauer, Berlin; 37.000 Pfund). Poetisch formuliert Marina Abramovic existentielle Empfindsamkeit in „Holding Emptiness“ (aus der Serie „With Eyes Closed I See Happiness, Triptychon, Galerie Krinzinger, Wien). Die VIENNAFAIR ist internationaler besetzt als zuletzt, das unterstreicht mitunter manche Qualitäten der österreichischen KünstlerInnen. VALIE EXPORTs „Fragmente der Bilder einer Berührung“ stellt ein wohl permanent gültiges Statement dar (Galerie Charim, Wien; 80.000€). Die ungewöhnlichen Skulpturen von Rudolf Polanszky, wie „Blue Hyperbolic Segment“ ziehen die Aufmerksamkeit an den Stand von Ancient & Modern (London; 20.000€). Jochen Höller verwickelt mit seinem „Wittgenstein-Generator“ in philosophische Thematik (Mario Mauroner, Wien; 45.000€). Siggi Hofer reflektiert gesellschaftskritische wie selbstironische Inhalte innerhalb der Ambivalenz von Schrift und Bild (Meyer Kainer, Wien; ca.12.000€). Und letztendlich trifft Michael Schuster mit seinen RGB-LED-Displays „Dollar/Rubel“ ins Schwarze ( Artelier Contemporary, Graz; 30.500€). Denn der Kurs des neuen russischen Leitungsteams ist stringent, kühl und kalkuliert. Doch wird die strenge Atmosphäre (und auch das ist Strategie) zuweilen temporär von heimisch-wohliger Sinneslust unterbrochen: wenn der Künstler/Koch René Stessl mit seinem „1HR Restaurant“ unerwartet interveniert und zum Beispiel Paprikahenderl mit Nockerl serviert, was vorzüglich mundet.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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VIENNAFAIR The New Contemporary
20 - 23.09.2012

Messe Wien
1020 Wien, Messezentrum Wien Neu, Halle A
http://www.viennafair.at
Öffnungszeiten: Do 11 - 19 h; Fr 11 - 21 h; Sa 11 - 19 h, So 11-18 h


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