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Biennale Antiquaires: Alte Besen kehren gut

Wenn Karl Lagerfeld eine Messe baut, kann das nur schiefgehen. Möchte man meinen. Doch so prätentiös der Modemacher sich in seinen persönlichen Auftritten geben mag, so brilliant schnörkelarm hat er den aktuellen Auftritt der Biennale des Antiquaires in Paris mit ihren 122 Ausstellern gestaltet.

Das Potemkinsche Dorf Messearchitektur, das er unter das Glasdach des Grand Palais gesetzt hat, bildet in den Sichtachsen eine durch gerundete Plätze aufgelockerte, variierende Stadtlandschaft, gegen die andere Kunst - und Antiquitätenmessen wie dunkel dräuende Kunstgruften wirken. Dieser Eindruck der Leichtigkeit ist entstanden, obwohl im Erdgeschoss zehn Aussteller mehr untergebracht wurden. Verantwortlich für diesen geglückten Coup ist Christian Deydier, der neue alte Präsident (2002 bis 2008 und seit 2010) des ausrichtenden Händlerverbands SNA (Syndicat National des Antiquaires). Und er Erfolg scheint ihm Recht zu geben. "Die Eröffnung war noch nie so voll", schildert Designhändler Francois Laffanour von der Pariser Galerie Downtown seinen Eindruck, obwohl er bis zum jetzigen Zeitpunkt (Samstag) auf der vorigen Ausgabe besser verkauft habe. Er gehört selbst dem Organisationskomittee an und hat Teile der Einrichtung eines kleinen Hauses in Montmartre auf seinem Stand arrangiert, die Charlotte Perriand zwischen 1959 und 1971 geschaffen hatte. Das billigste Objekt ist ein Sideboard für 60.000 Euro. Auf dem Preisniveau sind Spontankäufe wohl eher Zufall. Doch insgesamt scheint es gut zu laufen für die Händler.

Das könnte nicht zuletzt daran liegen, dass die Franzosen die Nabelschau ein Stück weit aufgegeben und im Vorfeld eine Roadshow durch 14 Metropolen Europas und Asiens veranstaltet haben. Die Kunden sind daher recht polyglott, was man von den Ausstellern allerdings nicht behaupten kann. Die allermeisten (93) kommen aus Frankreich, dazu sechs aus Belgien, zwei aus Monaco, fünf aus der Schweiz. Immerhin ein Aussteller konnte auf der Tour gewonnen werden, und der hat es in sich. Wallace Chan ist recht extravaganter Juwelier aus Hong Kong, der sich traditionell westlicher Technik bedient, um ganz eigene Kreationen asiatisch inspirierter Objekte herzustellen. Die sind gar nicht mal unbedingt tragbar, sondern haben mitunter skulpturalen Charakter - und einen enstprechenden Preis: bis in zweistelligen Millionenhöhe gehen die Beträge. Er selbst versteht sich eher als Kulturbotschafter denn als Juwelenhändler. Das hebt ihn von ganzen Geschmeidekonzernen ab, die im Grand Palais in auffälliger Zahl vertreten sind. Ansonsten fällt die traditionell hier beheimatete Industrie de Luxe weniger auf als früher.

Herausragend ist in diesem Bereich die Familie Kraemer, die den zweitgrößten Bestand an Möbeln von Johann Heinrich Riesener zusammen getragen hat. Nur Schloss Versailles verfügt über mehr. Allein diese nach Mikael Kraemers Angaben erste Riesener-Schau überhaupt lohnt den Besuch. Der Junior der Firma hat festegestellt, dass sich die Sammlerschaft solch exquisiter Stücke in den letzten sechs, sieben Jahren deutlich verjüngt habe. Diese Beobachtung teilt Hicham Aboutaam von Phoenix Ancient Art aus der Schweiz auf seinem Gebiet der Antiken. Er konstatiert auch eine Kontinentalverschiebung. Seien bis etwa 2008 mehr als zwei Drittel seiner Kunden US-Amerikaner gewesen, habe sich das Verhältnis inzwischen umgekehrt und der Rest der Welt, vor allem Europäer, trügen die Verjüngung. Dass die nicht unbedingt nur aus Frankreich kommen, bestätigt der Pariser David Ghezelbash, der bis letztes Jahr auch die Messe in Köln mitgemacht hat. Er habe für seine Antiken nicht mehr als fünf gute einheimische Kunden, der Rest komme aus ganz Europa. Immer wichtiger ist hier wie genau so anderswo die Flachware jüngerer Produktion geworden. L & M aus New York schätzt hier allerdings, dass nicht alle internationalen Großkollegen mitmachen wie bei der Fiac im Oktober. So ist ihre "Liz" von Andy Warhol mit einem Preis irgendwo zwischen 30 bis 40 Millionen US-Dollar wohl auch das teuerste Objekt der Messe. Allenfalls der Schmuck kann da mithalten.Im erstmals seit 75 Jahren wieder zugänglichen Salon d'Honneur im Obergeschoss ist das Segment der 32 "Nachwuchs"-Händler untergebracht. Hier tut sich dann doch ein leichtes Qualitätsgefälle auf, dafür ist das Preisniveau etwas niedriger – auch der Quadratmeterpreis für die Stände sinkt auf nur noch rund 600 Euro. Neben allerhand kleineren Dingen wie Wunderkammerobjekten und Silber finden sich oben ebenso hochpreisige Werke. Die spanische Galerie Mayoral hat für ein "Retrato Constructivo" des uruguayanischen Malers Joaquin Torres Garcia für 200.000 Euro an einen amerikanischen Kunden verkauft. Als einziger deutscher Aussteller überhaupt ist auf dieser Etage Dr. Riedl untergebracht, der ein kleines, gut sortiertes Kabinett an Gemälden vom 16. bis mittleren 20. Jahrhundert präsentiert. Dass das Angebot so überwiegend französisch ist, hat dabei durchaus seine eigene Logik. Warum sollten die einheimischen Händler ihren Marktplatz der Konkurrenz öffnen, wenn sie die ausländischen Sammler ebensogut allein durch ihre eigene Großartigkeit und gezieltes Marketing erreichen können? Im weltweiten Kampf um die HNWIs spielt die Biennale des Antiquaires jedenfalls ganz geschickt mit.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Biennale Antiquaires
14 - 23.09.2012

Grand Palais
75008 Paris, Avenue Winston Churchill
https://www.biennale-paris.com/
Öffnungszeiten: täglich 11-21 h


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