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Ludwig Glaeser - Mies und sein Archivar: Archiv der heroischen Souveränität

Mies van der Rohe beziehungsweise seinem fotografischen „Archivar“ Ludwig Glaeser, ist im Rahmen von eyes on die Ausstellung bei Lindner gewidmet. Ganz klar ist es bei Architekturfotografie ja nie, ob es sich um das architektonische Werk oder um das fotografische Bild dreht. Den Eintretenden begegnet zunächst das Porträt Ludwig Glaesers mit einer Kamera in der Hand, gegenüber fünf Aufnahmen der Skyline von New York. Die kleine Inszenierung im Foyer der Galerie kann man auch als Einführung oder Vorspiel für die eigentliche Schau in den beiden Haupträumen sehen, wo dann wirklich Gebäude von Mies van der Rohe zumindest Gegenstand der Fotografien sind. Glaesers Aufnahmen des Federal Center Chicago (1959 – 64) heben die Radikalität von Mies van der Rohes Werk hervor. Glaeser fokussiert die Rationalität und Funktionalität, mit der Mies die historische Umgebung konfrontiert. Die Weite des Platzes wird mit asketischer Klassizität durchschnitten. Die Säulenordnung der historischen Häuser ist in dem gewählten Blickwinkel des Fotografen derjenigen von Mies’ Konstruktion subordiniert; sie findet sich in den Reflexionen der gläsernen Flächen wieder, allerdings als gerahmte Fragmente zwischen seinen nüchternen stählernen Trägern. Die Natur, kleine blühende Bäumchen, wirken wie Requisiten, Beigaben, die das strenge System der Mies van der Rohe-Architektur unterstreichen. Die Botanik scheint hier ähnlich zu fungieren wie die Menschen in den Aufnahmen des Farnsworth House (1951). Die Bilder legen keinen Aspekt der menschlichen Raumerfahrung innerhalb des Landhauses dar. Das Haus selbst ist ohne Zusammenhang als ein in der Landschaft gelandeter Fremdkörper präsentiert, der sofort wieder abheben könnte, kein Zu- oder Aufgang ist zu sehen. Wie diese progressive Architektur in der menschlichen Realität gelebt wird, ist in diesen Bildern von marginaler Relevanz. Die Aufnahmen der Lake Shore Drive Apartments in Chicago (1949-51) aus dem Helikopter sind symptomatisch, aus einem künstlichen Blickwinkel aufgenommen, irreal. Der Schatten der Architektur wird dem natürlichen Spiel der Wasseroberfläche aufoktroyiert. Glaeser potenziert die absolute Ordnung von Mies’ Gebäuden gegenüber dem umgebenden Raum, der urbanen Situation wie der Organizität der Natur. Der Aspekt kunstvoller Unterordnung des natürlichen Systems schließt die Beziehung der jeweiligen Gegenpole als sich ergänzende Äquivalente zum großen Ganzen nicht aus. Glaesers Kompositionen sind gekonnt kalkuliert, in den gewählten Perspektiven wie den schwarz-weiß-Abzügen der Realität enthoben, reduziert und ästhetisiert. Die Gebäude sind nur scheinbar sachlich wiedergegeben, tatsächlich in Szene gesetzt, einer Heroisierung unterzogen. Zugleich präsentiert Glaeser Mies van der Rohes Gebäude als Komplexe von unverhohlener Selbstverständlichkeit, als Architektur von unvergleichlicher Souveränität.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Ludwig Glaeser - Mies und sein Archivar
08.11 - 07.12.2012

Galerie Lindner
1060 Wien, Schmalzhofgasse 13/3
Tel: +43 1 913 44 58, Fax: +43 1 913 44 58
Email: Galerie.Lindner@chello.at
http://www.galerie-lindner.at
Öffnungszeiten: Do+Fr 14-18 h


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