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John Cage und ... Bildender Künstler - Einflüsse, Anregungen: Viel Lärm und das Nichts

1952 war ein relativ wichtiges Jahr für das Nichts. Zum einen veröffentlichte Samuel Beckett, der Dichter des Schweigens, sein Lehr(er)stück „En attendant Godot“, Robert Rauschenberg begann die „White Paintings“ und Guy Debord drehte seinen Anti-Spektakel-Film „Hurlements en faveur de Sade“. Auf der anderen Seite „läutete“ das konzeptuelle Leerstück „4‘33“ von John Cage ein neues Kapitel in der Musikgeschichte ein: Musik, das konnte fortan auch die Beschränkung auf die Konventionen eines Konzerts sein; das Publikum produzierte im Raunen, Räuspern, Hüsteln und Stühlerücken seine eigene „Klangwolke“, der „Interpret“ selbst schwieg. Wenn das Museum der Moderne in Salzburg zu den Festspielen, dem laut tönenden Festival mit abendlichen Gesangseinlagen, dem Hohepriester der Stille anlässlich seines 100. Geburtstags eine ergiebige Werkschau widmet, so ist das ein Statement der eigenen Art. In radikaler Erweiterung einer Ausstellungs-„Skizze“ in der Akademie der Künste Berlin werden die Einflüsse auf Cage, seine knietiefe Verankerung in der klassischen Moderne eines Klee, Kandinsky und Co., aber auch die Fortführung seiner Errungenschaften und Erkenntnisse, seine Anregung der „Fluxus“-Bewegung und die lebensgemeinschaftliche Kollaboration mit Tanz-Guru Merce Cunningham festspielreif ausschweifend dokumentiert. Aufschlussreich ist das schon. Aber man muss auch feststellen, dass das Werk des bildenden Künstlers in keiner Weise mit dem revolutionären und avantgardistischen Geist seiner „Kompositionen“ mithalten kann. Für jeden nach-modernen Ironiker ist die Ernsthaftigkeit, mit der Cage noch die banalste Geste mit neuplatonisch-buddhistischen Argumenten unterfüttert, kaum mehr verständlich. Kunstgeschichtlich unerheblich sind seine späten Aquarell-Malereien, die den angestaubten Geruch von alternativen Workshops in landschaftlich schön (ab)gelegenen Gegenden verbreiten. Richtig kurios, also eigentlich interessant wird es, wenn Cage musikalische Prinzipien wie den Zufall auf das Ausstellungswesen überträgt. So zeigt sich im wunderkammerartigen „Museumszirkel“, der wechselnden Zusammenführung von zufällig arrangierten Exponaten lokaler Museen, das Profil einer Stadt: Der mysteriöse „Jagupard“ aus dem Haus der Natur tritt an die Seite prunkvoller Pontifikalschuhe (Dommuseum) und in einen ungewollten Dialog mit der Kopie des Gemäldes – natürlich! – „Wolfgang Amadeus Mozart am Klavier“. Und das entspricht in seiner Mischung aus Historismus, Katholizismus und gelegentlichen exotischen Ausflügen vermutlich genau dem geistigen Klima des „Weltkulturerbes“ Salzburg heute. Cages Grundsätze wie der damals neu belebte Gedanke des Cross-Over haben allerdings auf die nachfolgenden Generationen stark nachgewirkt. So gesehen ist und bleibt John Cage ein heimlich präsenter Impulsgeber. Immer wieder beeindruckend sind die 42 Nachtwachen in der nur durch zufällige Geschehnisse belebten Wüste des Studios von Bruce Nauman oder die ekstatische Lärmorgie mit Blondine von Christian Marclay. Über das Hintertürchen des Zufalls dank mangelnder Treffgenauigkeit erzählt Rodney Grahams „Lobbing Potatoes at a Gong“ davon, warum alle guten Kartoffeln früher oder später in einer Flasche Wodka enden sollten. Und während man noch die bedingt erfolgreichen Wurfversuche des Künstlers beobachtet, wird im Hintergrund ein wenig rhythmisches Rumpeln und Getöse laut. Hat man im Überangebot der 220 Leihgaben etwa eine Klanginstallation übersehen? Aber es sind ja nur die Techniker, die beim Transport eines Gerüsts einigen Krach machen. Was wieder beweist, wie der Spirit von John Cage dann doch die Sinne schärft.
Mehr Texte von Stephan Maier †

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John Cage und ... Bildender Künstler - Einflüsse, Anregungen
15.07 - 07.10.2012

Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg
5020 Salzburg, Mönchsberg 32
Tel: +43 / 662 / 84 22 20-403, Fax: +43 / 662 / 84 22 20-700
Email: info@mdmsalzburg.at
http://www.museumdermoderne.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi 10-20 h


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