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Schluss mit lustig

Es gibt Leute wie mich, die rennen bei einem Städtetrip als erstes immer in die Altmeistersammlungen. Nicht der sensationellen neuen Richter-/Hirst-/Sonstwer-Ausstellung gilt das Interesse, sondern denen, die sozusagen eh schon immer da sind und, so würde man meinen, für die nächsten Jahrhunderte an Ort und Stelle verharren werden: Caravaggio, Rembrandt, Hals, Gentileschi, wenns eine gibt, vielleicht hat man auch noch einen schönen, schrägen Lotto, die eine oder andere Ruisdael-Landschaft oder auch einen leicht düster-geheimnisvollen Patinir. Oder einen Bosch, überhaupt eine Sensation. Paradoxerweise erwies sich für solche Personen immer Berlin, die vermeintlich zeitgenössischste Stadt überhaupt, als wahres Paradies. Denn die dortige Gemäldegalerie besitzt als die wahrscheinlich einzige ihrer Qualität weltweit eine Eigenschaft, die alle anderen, von Prado, National Gallery und Louvre abwärts, vermissen lassen: In ihren weiten, lichten Hallen ist man meist recht allein. Für Kulturpolitiker und Museumsdirektoren der Super-Gau, für das – rare – Publikum ein wahrer Traum. Man erahnt dunkel, wie es einst gewesen sein könnte, als Museen noch das waren, was man heute als „verstaubt“ tituliert – und denkt an diesen oder jenen Sommer zurück, als man sich gemeinsam mit tausenden anderen Touris vier Stunden lang vor den Uffizien die Beine in den Bauch stand. Um sich dann zwischen den Botticellis umherzuschieben, im Sekundentakt angerempelt von Handyfotografen und Amateurfilmern. Ich bin eben altmodisch und finde es grandios, wenn im Museum Stille und Menschenleere herrschen. Im 21. Jahrhundert ist derlei Romantik natürlich völlig anachronistisch und fehl am Platz. Die Berliner Gemäldegalerie, dieses unglaubliche Eigenbrötler-Eldorado, wird jetzt leider von dem herrlich versteckten Platz am sogenannten Kulturforum vertrieben; sie soll in drastisch reduzierter Form im Bode-Museum gezeigt werden, angeblich vorübergehend (das Geld für die Errichtung eines Ersatzbaus ist noch in weiter Ferne) – es muss nämlich die private Sammlung Pietzsch in das große Gebäude, klassische Moderne hauptsächlich. Natürlich: Auch Max Ernst und René Magritte gehören in eine ordentliche hauptstädtische Museumslandschaft; ein bisschen inkonsequent ist es aber schon, die Alten Meister rauszuschmeißen, wo man die Galerie doch erst 1998 eröffnet hat. Pietzschens haben’s geschickt gedeichselt: Sie schenkten ihre Schätze nur unter der Bedingung her, dass diese ordentlich präsentiert werden – verständlich. Dass eine derart hochkarätige Sammlung wie jene der Gemäldegalerie auf unabsehbare Zeit bloß verstümmelt zugänglich ist, kann trotzdem nur fahrlässig genannt werden. Und für Liebhaber der einsamen Bildbetrachtung ist jetzt definitiv Schluss mit lustig. -- Anmerkung der Redaktion: Derzeit läuft eine Petition an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, um die Schließung der Gemäldegalerie noch zu verhindern. Die Petition kann auf Change.org unterzeichnet werden.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Architekt
Christoph Claus | 12.07.2012 07:16 | antworten
Es ist ein Skandal ohnegleichen und eine bodenlose Arroganz das Geld so zum Fenster rauszuschmeissen.

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