Werbung
,

Francis Picabia. Retrospektive: Schwulst und Geometrie

In der merkwürdigen heimischen Museums- und Ausstellungslandschaft, die trotz ministerieller „Rahmenzielvereinbarungen“ bis heute mit Doppelgleisigkeiten und Schwammigkeiten kämpft, fehlen bis heute Ausstellungen zahlreicher wichtiger Avantgardisten. Das Mumok setzt auf Nachkriegskunst und ignoriert die Kunst vor 1945 weitgehend, die Albertina setzt auf zugkräftigere Namen (obwohl ihr die für 2013 programmierte Max-Ernst-Ausstellung hoch anzurechnen ist). Die große Rodtschenko-Ausstellung, die ambitionierte George-Grosz-Schau lassen auf sich warten. Auch Francis Picabia zählt zu jenen wichtigen Vertretern der historischen Avantgarde, die hier zu Lande weitgehend unbekannt sind. Die Kunsthalle Krems widmet dem Urvater des Bad Painting nun seine erste institutionelle Ausstellung in Österreich und stellt darin sein von ironischen Hakenschlägen geprägtes Werk in einer vielleicht zu musealen, säuberlich geordneten Hängung vor. Gleich beim Eingang prallt man auf impressionistische Ölschinken des jungen Picabia, der später auch fauvistisch und orphistisch malte – schon in dieser ersten Einführung beweist der spätere Dadaist und Surrealist sein Talent zum Dilettantismus auf hohem Niveau. Jene Arbeiten, die als seine wichtigsten gelten – die vielfach erotisch aufgefassten mechanistischen Gebilde – nehmen hier nicht mehr Raum ein als all die anderen Stile; diese Entscheidung kann man bedauern, denn man hätte gern mehr von diesen auch ganz unironisch beeindruckenden Arbeiten gesehen. Andererseits erscheint sie im kuratorischen Konzept, das Picabia als Künstler positioniert, der seine Malweise wie die Unterhosen wechselt, konsequent. Mehr Platz gibt man dagegen den „Transparenzen“, jenen Gemälden, in denen Picabia Porträts, Akte, Tiere übereinander schichtet (wie es später David Salle tat). Das Spätwerk des passionierten wie experimentierfreudigen Amateurs, das sich entweder in der Nähe schwülstiger NS-Aktkunst oder aber teils geometrischer abstrakter Malerei bewegt, stellt jedoch endgültig unter Beweis: Im Werk dieses begnadeten und provokanten Kitschkünstlers sollte wirklich absolut nichts für das gehalten werden, als das es erscheint.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Francis Picabia. Retrospektive
15.07 - 04.11.2012

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: