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Hans-Peter Feldmann: Im Spiegel des Normalen

Ein interessantes Phänomen: Eines der ersten Motive für Hans-Peter Feldmann, sich der Kunst zuzuwenden, kam aus dessen Drang, dem biederen Alltag der deutschen Nachkriegsgesellschaft zu entfliehen. In Hilden bei Düsseldorf, wo er herkommt, hätte es einfach nichts gegeben in den 1940er oder 1950er Jahren, meint er rückblickend. Schon gar nicht wären ausreichend Information über zeitgenössische Kultur verfügbar gewesen. Also begann er, sich den Gegenständen, der Welt der Dinge, eben jenen Phänomenen, die den Alltag ausmachen, zuzuwenden und diese zu untersuchen. Also ist es nun doch wieder der Alltag. Doch mit dem Blick des unentwegt neugierigen, strukturierenden, aufzeichnenden, protokollierenden Künstlers nähert sich Feldmann nun dem Tagtäglichen. So entwickelte er eine konzeptuelle Kunstform, die – ganz nahe am Dokumentarischen – visuell jenen Klischees nachspürt, die beispielsweise Glück, Zufriedenheit oder Schönheit versprechen. Oft geht es um Symbole, die für dieses Angekommensein im zumeist kleinbürgerlich codierten gesellschaftlichen Nirgendwo stehen. Angehäuft in eigentümlichen Sammlungen bringt er dies in serielle Ordnungen. Beispielsweise irgendwelche Malereien von Landschaften oder Meeresfluten. Oder er arrangiert Plastikblumensträuße zu einem kitschigen Ensemble absurder Dekorationen. Oder er malt den Gesichtern in klassischen Gemälden noch rote Nasen auf. Dass da irgendwann die Ironie und der beißende Humor durchbrechen müssen ist klar. In den 1980er Jahren begann Feldmann figurative, klassisch wirkende Statuetten bunt zu bemalen. Das Ergebnis: eine billig wirkende Variante der Pop-Art. Doch nicht triviale Sujets des Alltags veredelt Feldmann, sondern das Seltsame, Einfache übersteigert er bis an den Rand des Lächerlichen. Ein Skulpturenpaar in der Retrospektive in der BAWAG Contemporary steht da wie so eine Art Adam und Eva aus Plastik mit dem Teint eines trashigen Badeentleins. Dass einem das gefällt, könnte man kaum behaupten. Zum Lachen ist es auch nicht wirklich. Vielmehr sind es visuelle Soziogramme. Wenig Komisches, sondern oft das Stinknormale und manchmal einfach das Erbärmliche des Kleinbürgerlichen. Wie wach Feldmann mit kritischem Blick den Alltag aufzeichnet, zeigten schon seine frühen Broschüren, in denen er Fotos zu bestimmten Themen sammelte, und zeigt vor allem sein berühmter RAF Zyklus, der in Form kopierter Porträts in schwarz/weiß unkommentiert sämtliche Todesopfer abbildet, die im Zuge des revolutionären Kampfes der RAF und umgekehrt der Angriffe auf die kritische Linke staatlicherseits verursacht wurden. Wo auch immer diese fast schockierende Bildserie gezeigt wird, entsteht ein Gefühl des Stillstandes und der Betroffenheit. Vor diesem Hintergrund sollte man die Kunst des Hans-Peter Feldmann sehen. Überall, wo es komisch, wo es witzig wird, breitet sich dann doch so etwas wie Ernst aus. Es ist der Alltag, es ist aber jedesmal auch etwas Ideologisches, das sich in den Bildwelten Feldmanns – oder den von ihm räumlich in Szene gesetzten Sammlungsobjekten – spiegelt. In den großen Museen wie im Guggenheim in New York oder im Musée d'Art Moderne de la Ville in Paris war Hans Peter Feldmann bereits präsent; nicht zu vergessen: schon 1977 war er Teilnehmer der documenta 6. Somit ist es längst an der Zeit, Teile seines Werks – über den RAF Zyklus hinaus – eingehender kennenzulernen. Das aktuelle Projekt in der BAWAG Contemporary, das gemeinsam mit der Serpentine Gallery und den Hamburger Deichtorhallen produziert wurde, macht es möglich. Dass es sensationell ist, wäre zu viel gesagt. Doch die Ausstellung ist gespickt mit Ironie und zeigt den kritischen Blick einen Sammlungswütigen auf die jüngere Zeitgeschichte in Mitteleuropa.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Hans-Peter Feldmann
21.06 - 26.08.2012

BAWAG P.S.K. Contemporary
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
http://www.bawagpskcontemporary.at
Öffnungszeiten: täglich 14-20h


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