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Edge of Arabia: Contemporary Art from Saudi Arabia: Arabische Kunst im Aufbruch

Dass Kunst längst die Rolle eines kulturellen Leitmediums eingenommen hat, manifestiert sich zunehmend. Schließlich werden genau hier global wirkende Veränderungen abgebildet und befragt, aber auch gängige Wahrnehmungsmuster unterlaufen. Dies mag wie ein Gemeinplatz wirken, doch es gibt immer wieder Überraschungen, die diese Tatsache in Erinnerung rufen; ausgelöst etwa durch das Tempo mit dem Kunst aus dem arabischen Raum in den allgemeinen Fokus rückt. Einen außergewöhnlichen Durchbruch erreichte dabei das Projekt »Edge of Arabia«. An prominenten Orten in London, Riad und Berlin, in Istanbul, auf der Biennale Venedig und jetzt in Wien zeigt es erstmals KünstlerInnnen der jungen Szene aus dem vorderasiatischen Königreich Saudi Arabien. Natürlich kursierten bis vor kurzem kaum adäquate Vorstellungen über die zeitgenössische Kultur in dem wirtschaftlich sehr erfolgreichen, sonst aber traditionellen, Ölstaat. Als erstes zeigt sich, dass der Ballast der Kunstgeschichte längst abgeworfen wurde, was bis vor kurzem in einigen nordafrikanischen Staaten durchaus noch bemerkbar war, weil die fast immer europäisch beeinflusste Kunstausbildung erst in den 1920er Jahren – oder in Saudi Arabien erst in den 1950er Jahren – begann. Aber noch viel mehr zeigt sich, dass »Education by Internet« die gegenwärtige Kunstproduktion enorm beeinflusst. Von daher kommt das Wisser über die Welt, über den internationalen Ausstellungsbetrieb und künstlerisches Arbeiten heute, erklärt der junge Brite Stephen Stapleton die Herkunft der konzeptuellen und transmedialen Kunstproduktion in Saudi Arabien. Gemeinsam mit dem nun in London lebenden Künstler Ahmed Mater rief er »Edge of Arabia« ins Leben. 23 KünstlerInnen sind daran beteiligt. Fünf Positionen werden derzeit anlässlich der Präsentation des umfangreichen dokumentarischen Katalogs dazu in Wien vorgestellt. Ahmed Mater selbst, der auch praktizierender Arzt ist, arbeitet beispielsweise mit Röntgenbildern, die er ikonographisch einsetzt. Es ist auch ein Spiel mit Identitäten und Projektionen, wenn sich etwa die Zapfsäule einer Tankstelle in ein durchleuchtetes menschliches Individuum verwandelt, das sich eine Knarre an den Kopf hält. Immer wieder auch Ironie: Nicht Massen von Gläubigen bewegen sich bei Mater um die Kaaba, das Heiligtum des Islam, sondern Eisenfeilspäne bevölkern die weiße Fläche rund um einen schwarzen magnetischen Block. Die verschiedensten Repräsentationsformen werden durchgespielt. Dahinter die Frage, was Identität ausmachen könnte. Ungewöhnlich für einen Künstler, dient Abdulnasser Gharem als Major in der Armee. Von daher kommt seine künstlerische Arbeit, die auf der Verwendung von Stempeln basiert. Was gewöhnlich von der Bürokratie – oder eben dem Militär – verwendet wird, hat er zum Material für die Kunst gemacht: in Form von Ornamenten oder zusammengesetzt aus einer Vielzahl von Unterschriftenstempeln, die übrigens von der im oberösterreichischen Wels ansässigen Firma Trodat produziert werden, wie er recherchiert hat. Die Künstlerin Maha Malluh wiederum begann zunächst mit unterschiedlichen Collagen und arbeitet nun mit Fotogrammen, um ihre kritischen Kommentare zum Leben in Saudi-Arabien zu formulieren – was die Künstlerin Hala Ali, die in den Vereinigten Emiraten lebt und immer wieder Reisen nach London absolviert, schließlich in einer Performance anlässlich der Eröffnung der Ausstellung zum Ausdruck brachte. Ihr Auftritt erinnerte fast an die frühe Patti Smith. So weit ist ein derartiger Vergleich gar nicht hergeholt. Denn nicht nur die globalisierte visuelle Kultur, auch Pop-Musik spielt eine maßgebliche Rolle im zeitgenössischen Kulturverständnis Saudi Arabiens. Die sommerliche Hitze sollte kein Hindernis für den Pflichtbesuch von »Edge of Arabia« sein. Es ist ein großartiges, erfrischendes Projekt, das die Vielfalt konzeptueller Kunst aus dem arabischen Raum zeigt, und bestens dazu geeignet, unsere eigene Vorstellungswelt zu erweitern. -- Katalogbuch: EDGE OF ARABIA: CONTEMPORARY ART FROM SAUDI ARABIA Booth-Clibborn Editions, London 2012
Mehr Texte von Roland Schöny

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Edge of Arabia: Contemporary Art from Saudi Arabia
22.06 - 07.07.2012

Galerie Krinzinger
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 1 513 30 06, Fax: +43 1 513 30 06 33
Email: krinzinger@galerie-krinzinger.at
http://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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