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Realität und Abstraktion 2 – Konkrete und reduktive Tendenzen ab 1980: Die Eleganz der Reduktion

Der Titel der vierten Ausstellung im Museum Liaunig ließe sich auch als Charakteristikum des Museumbaus der Wiener Architekten querkraft selbst lesen. Den ankommenden BesucherInnen ragt die kantige Öffnung eines Betonschachts entgegen, eingegraben in den Hügel, unter dem sich auf der einen Seite die Bundesstraße und auf der anderen der Fluss Drau winden. Es sind die verglasten Stirnseiten eines langgestreckten white cube. In seiner klaren Reduktion setzt der Bau in der Natur ein Zeichen, nicht von überwältigender Monumentalität, sondern in markanter Eleganz. In der Ausstellung ist die Repräsentation der konkreten und reduktiven Tendenzen durchaus fundiert und beachtlich, da ausnahmslos aus den eigenen Beständen rekrutiert. Auf der Fläche von 3.500 Quadratmetern werden etwa 200 ausgesuchte Kunstwerke der über 2.800 Stück zählenden Privatsammlung gezeigt. Künstlerische Vorläufer oder Pioniere sind Zitaten gleich einbezogen, der Schwerpunkt liegt auf dem zeitgenössischen österreichischen Kunstgeschehen. Arrivierten KünstlerInnen ist dieselbe Aufmerksamkeit geschenkt wie solchen, die noch nicht im internationalen Rampenlicht der Öffentlichkeit gestanden sind. Kriterium ist die persönliche Überzeugung des Sammlers. Der begleitende Katalog verfolgt eine geradezu „mutige“, stringente kategorische Einordnung der KünstlerInnen und ihrer Exponate, was Unkundige begrifflich überfordert und die Fachwelt verblüfft. Der Aufstellung im Museum ist eine solche systematische Eingrenzung nicht aufgezwungen, wäre auch in Anbetracht der Bild-immanenten Kraft der Werke obsolet. Die flexiblen Wände im Inneren sind diesmal in schlichten Orthogonalen aufgestellt, die Beleuchtung durch die Einschnitte im Dach primär durch natürliches Licht bestimmt. Mehr bedarf es auch nicht, bzw. würde das Spannungsfeld beeinträchtigen, das in der großzügig gestalteten Hängung entsteht, die jedem Werk genügend Wirkungsraum beimisst. Die feinsinnig gewählten Gegenüberstellungen der verschiedenen künstlerischen Standpunkte mit zwei- und dreidimensionalen, oftmals großformatigen, Exponaten entwickeln ein diskursives Feld, in dem sich die BesucherInnen frei bewegen; Dialoge, die unmittelbar involvieren, mitunter nicht ohne Witz. Am Ende des langgestrecken Eingangsbereichs üben die konzentrischen Kreise in Robert Schaberls Gemälden eine fokussierende, sogartige Wirkung auf die Eintretenden aus. Direkt darauf überraschen die herumliegenden fragmentierten Körper der Dinosaurier von Hans Schabus. „Es ist einfach ein Scherz“ – so der schmunzelnde Sammler Herbert Liaunig. Die versuchsweise relativierenden Worte des beratenden Kunsthistorikers Peter Baum (es wäre eine Persiflage auf Ready Mades) tun seinem Spaß keinen Abbruch: „Unsinnige riesige Trümmer, die sich kaum transportieren lassen.“ Direkt vor dem großzügigen Ausblick über die Terrasse in die umgebende Landschaft entspinnt sich ein Bezugsnetz von natürlichen und künstlichen Systematiken, biomorphen und konstruierten Realitäten: Peter Kogler generiert in seinen glänzenden Lackbildern menschliche und tierische Motive zu computergerechten Ordnungen, daneben löst Fritz Panzer das Volumen eines Schreibtisches und eines Gürteltieres in lapidarer Durchlässigkeit seiner Drahtskulpturen auf, das Gemälde mit dem ausschnitthaften Frauenantlitz von Franz Graf bringt eine sehr menschliche Note hinzu. Desgleichen werden konzeptuelle Tendenzen aufgezeigt, die etwa Text und Schrift zwischen Zeichen und Form oszillieren lassen: Heinz Gappmayr, Heimo Zobernig oder Alighiero e Boetti. Die Textspirale oder das Sprachgitter von Wolfgang Ernst implizieren außerdem weitreichende außerkünstlerische Inhalte, die vertiefter Beschäftigung bedürfen. Michael Kienzers davor platzierte Maschine gibt eine modernistische Antwort darauf – bei oder gerade wegen formaler Parallelen erschließen sich künstlerische Ordnungssysteme als Wirklichkeitsebenen unterschiedlicher Wesensart und Dimensionen; Beispiele solcher Art ließen sich hier viele nennen. Trotz klarer thematischer Orientierung sind die Exponate von durchaus differenter Erscheinung. Auf den manchmal simplen Effekt von Struktur und Materialität konzentriert sich Jakob Gasteiger. In Brigitte Kowanz’ Lichtskulptur schwindet die Poetik in den warenhausmäßig opulenten Spiegelungen. Eindrucksvoll still, subtil belebt hingegen sind die an oder vor der Wand montierten Objekte von Paul Wallach. Auch wenn Heinrich Dunst das Bild als solches geradezu plakativ aus dem Rahmen steigen lässt, liegt der sammlerische Fokus auf herkömmlichen Gattungen wie Skulptur, Malerei und Graphik – doch ist der privaten Sammlerleidenschaft wohl jede individuelle Vorliebe zu belassen und die lustvolle Freiheit in der jeweiligen Gestaltung als Charakteristikum und Vorteil vor den Anforderungen zu sehnen, die eine öffentliche Institution zu erfüllen hätte. In diesem Jahr ist neben Herbert Liaunig vor allem sein Sohn Peter Liaunig für die Auswahl und Präsentation verantwortlich. Und man kann bei aller kritischen Perspektive, etwa bezüglich der Selektion einzelner künstlerischer Positionen, nicht umhin, zum gesamten Resultat zu gratulieren. Die Ausstellung ist reichhaltig, das Konzept schlicht und klar und vor allem konsequent durchgeführt; in seiner konzentrierten Reduktion heterogen, wie der architektonische Schauplatz selbst. Diese inhaltliche wie ästhetische Stimmigkeit erfüllt die BesucherInnen mit sinnlicher wie inspirierender Qualität. Das Museum Liaunig hat nicht nur sich selbst mit der diesjährigen Schau die Latte für Zukünftiges ziemlich hoch gelegt.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Realität und Abstraktion 2 – Konkrete und reduktive Tendenzen ab 1980
01.05 - 31.10.2012

Museum Liaunig
9155 Neuhaus/Suha, Neuhaus 41
Tel: +43 (0)4356 211 15
Email: office@museumliaunig.at
http://www.museumliaunig.at/
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h


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