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Wolfgang Ernst: Im Verschwinden die Revolte

Bald erschlossen ist das Koordinatenfeld, das sich hier eröffnet. Rechter Hand Anspielungen auf de Sade. Eine Evokation, die sich im Bild wie aus Asche oder – weniger pathetisch gesagt – wie aus einem grauen Schleier heraus in Worten manifestiert »SADE & das geschundene Reich Gottes«. Direkt im Blickfeld dann ein archaisch wirkender Gär-Trog. Objekt einerseits. Und andererseits reales Ding aus der Welt draußen. Eine Art Spurensicherung. Verwendet wurden solche fast Sarg ähnlichen Behältnisse bis ins 20. Jahrhundert gewöhnlich zum Ansetzen von Brotteig. Klar ist: Es wird erinnert an prozessuale Entwicklungen mit nur ungefährem Ausgang. Maßgebliche Rolle spielt das Wort: PASCAL – PARACELSUS – MASCHINE ist zu lesen. Anders verschriftlicht auf der Werkliste. Ein Spiel mit der Repräsentation? Differenz zwischen Aufschrift und Titel? Doch wir halten uns an die vom Künstler Wolfgang Ernst gesetzten Zeichen. Mit Lack, Kreide oder Dispersion. Man erfährt es nicht. In weißer Farbe jedenfalls. Dazu ein Zeichen; fast wie das päpstliche Kreuz. Wieder jedenfalls die Kraft des Wortes. Immerhin war Pascal nicht bloß frühe Programmiersprache, sondern ist vor allem die Einheit des Druckes und der Spannung. Eine Dimension in der Figur des Paracelsus wiederum liegt in dessen Erneuerung der Ernährungs- und Heilungstheorien. Die Ausstellung von Wolfgang Ernst ist die Wiederbegegnung mit einem kaum präsenten Außenseiter. Manche erinnern sich an die dessen Ausstellung in der Secession 1995. Formal ähnlich arbeitet er kontinuierlich weiter. Es sind Affirmationen der unmöglichen Zusammenführung von sprachlichem Begriff und visueller Repräsentation. Wolfgang Ernsts persönliche Säulenheilige der Moderne bleiben da nicht draußen. In der Musik etwa John Cage, der auch im Raum der Galerie erklingt. Ebenso bezieht er sich auf Morton Feldmann oder Max Neuhaus, wie er fast eitel in seiner Biografie erwähnt. So etwas ist ein verständliches Phänomen der kulturell ausgehungerten Avantgarde der Zweiten Republik. Im Gegensatz zur übersättigte Online-Gesellschaft heute diskutierte diese alles, was nur da war, um Anschluss an die Moderne zu finden. Der 1942 geborene Autodidakt, den Msgr. Otto Mauer schon 1965 in die Galerie nächst St. Stephan holte, kommt aus dem Umfeld des mittlerweile verstorbenen Schriftstellers Reinhard Priessnitz, einer Friederike Mayröcker, aber auch eines Padhi Frieberger. Er sieht sich selbst im Kontext der Sprachphilosophie Wittgensteins und des französischen Poststrukturalismus. Doch weiter in der Ausstellung. Gleich da wo die Barrikade Perspektiven ins Utopische verspricht. »Die theoretische Kluft ist absolut ..... « So beginnt ein Text unter mehreren Filmstreifen im großformatigen Bild. Mit Fotoaufnahmen des Mai 1968 in Paris auf dem großformatigen Bild »DES – ASTRE (Paris 68)«. Darauf zerronnene Kleckse als hätte man es beworfen mit Farbbeuteln. Sie wiederum erinnern an Spuren schlampiger Entwicklung in der Fotografie. Ja, Metapher über Metapher, Layer über Layer. Und unübersehbar: die Revolte, die Überschreitung im politischen und persönlichen Sinn als Thema. Spricht hier eigentlich ein Jünger des Matthes&Seitz Verlages zu uns? Wir erinnern uns an Bernd Mattheus’ Band »Ich gestatte mir die Revolte«. Nein. Doch die Assoziation ist richtig. Denn Wolfgang Ernst kooperierte mit dem bedeutenden, aber gelegentlich ins rechte Eck ausrutschendem Verleger Axel Matthes, der Wesentliches zum Transfer von Literatur und Philosophie aus Frankreich beitrug. Ernst gestaltete Buchumschläge für Werke von de Sade und George Bataille. Das Werk des letztgenannten ist für den Künstler seit den 1970er Jahren von Bedeutung. Auch die übrigen Werke der Ausstellung zeigen dies mit Assoziationen zur Himmelsleiter, zu Ekstase und Vergänglichkeit. Ein beachtliches Feld an Intensitäten baut Wolfgang Ernst hier auf. Mit Werken aus der allerletzten Zeit. Auch wenn die breiten diskursiven Stränge der Trends im Kunstbetrieb jetzt oft in andere Richtungen weisen, lässt die Ausstellung erahnen, wie viel da von einem hochinteressanten österreichischen Künstlers eventuell noch erwartet werden kann. Jedenfalls aber liegen weite Teile seines Werks noch brach, sind noch nicht aufgearbeitet ist und sollten noch engagierter nach außen hin dargestellt werden. Ein Umstand, an dem der Künstler selbst mitbeteiligt ist. Denn im Gegensatz zu den vom ihm verehrten Größen, die alle zumeist aktiv hinter ihrem Werk standen, hat er selbst sich zurückgezogen und lebt in einem indifferenten Verhältnis zur kulturellen Öffentlichkeit, deren Bildung und deren Aufmerksamkeitsquotient im Vergleich zu den kleinen Zirkeln der 1970er Jahre allerdings um ein Vielfaches angestiegen ist. Sein persönliches Schweigen möchte Wolfgang Ernst im Rahmen einer Lesung zu Trompete von Freddie Jelinek nun dennoch aufbrechen. Der Termin wird in den artmagazine Tipps rechtzeitig bekannt gegeben.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Wolfgang Ernst
16.03 - 27.04.2012

LukasFeichtner Galerie
1010 Wien, Seilerstätte 19
Tel: +43 676 3387145
Email: office@feichtnergallery.com
http://www.feichtnergallery.com
Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-18, Sa 10-16


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