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Die vier Musketiere: Beuys, Brus, Kippenberger, Roth: Eine Zeichnung schreiben

Auch wenn ich meinen Namen schreibe, zeichne ich.“ – welch gewichtige Worte des großen, sprachgewaltigen Joseph Beuys. Und auf jedem einzelnen Blatt eines sechsteiligen Fluxus-Textes hat Beuys dann auch ganz konsequent zu allererst seinen Namen angeführt... Philipp Konzett stellt zur Zeit das erste Blatt dieses Fluxus-Textes aus: „Beuys: Das Schweigen des Marcel Duchamp wird überbewertet!“. Als Zeichnung betrachtet ist das Exponat von einer ästhetischen und imaginativen Subtilität, wie sie etwa Cy Twomblys Schriftzügen eigen ist, genauso weit entfernt wie von der signifikanten Ambivalenz der Buchstabenkombination zwischen Schrift- und Bildzeichen, wie sie die ebenfalls bei Konzett ausgestellten Arbeiten von Ernst Jandl auszeichnet. Die Qualität von Beuys’ Fluxus-Text liegt viel mehr in seiner Authentizität, in seinem inhaltlichen und dokumentarischen Wert. 1964 entstand während einer Fluxus-Aktion das Plakat mit eben denselben oben zitierten Worten, wobei Beuys die für ihn typische Braunkreuzfarbe mit Schokolade versetzt hatte (heute im Museum von Schloss Moyland verwahrt). Es ist Beuys’ provokanter Beitrag an der damals aktuellen Duchamp-Debatte. Er definiert hier seine Kritik an Duchamps kultiviertem Schweigen, sowie an dessen Anti-Kunstbegriff und stellt diesem seinen eigenen erweiterten Kunstbegriff gegenüber (Das Schweigen war ja bekanntlich weniger sein Thema oder betriebene Praxis); ein Akt der Herausforderung, der in Folge viel diskutiert und interpretiert, sogar als Vatermord bezeichnet wurde. Auf anderen in derselben Ausstellung präsentierten Blättern erweist sich hingegen durchaus Beuys’ Feinsinn und Tiefsinn im Zeichnerischen. Im Entwurf für ein Kellerfenster – Staubbild I von 1953 verwendete der Künstler ein aufgefundenes, vergilbtes und verfärbtes Papier. Er nutzt die vorhandenen dunklen Schlieren in überzeugender Kongruenz zur Vorstellung einer mystischen Lichtsituation und zieht präzise die zarten Konturen des Kellerfensters mit der gaslampenförmigen Unterteilung. Die Referenz an die deutsche Geschichte ist inhärent und spürbar. Die sublime Aktivität der Atmosphäre wird noch gesteigert, da Beuys ein spinnwebenartig feines Liniengespinst auf das Blatt setzt, somit eine vorgebliche Staubverschmutzung täuschend simuliert und zugleich die Sinnlichkeit des Ganzen erhöht. Ähnlich subtil und tiefgründig und zudem eng verwoben mit dem schamanistischen Bedeutungskontext von Beuys’ Wirken ist das Blatt ohne Titel. Wiederum hat Beuys den überkommenen Zustand des Papiers als Gestaltungselement aufgenommen und mit imaginativer Sensibilität in das Mischwesen aus Hirsch und menschlichen weiblichen Körperformen adaptiert; eine weitere Zeichnung, welche die künstlerische Polyvalenz Beuys’ unter Beweis stellt. In dem vielfältigen Repertoire der Ausstellung fällt unter anderem eine Sprungfederzeichnung von 1983 von Rudolf Polanszky auf. Polanszky trachtete danach die rationale Gesteuertheit im zeichnerischen Duktus zu unterwandern. Er entwickelte einen Spiralhocker (den Franz West für ihn baute) als „Vermeidungs- und Ausweichmaschine“ und führte auf diesem sitzend mit einem verlängerten Pinsel die Zeichnung aus. Er verfolgte eine Strategie der Ästhetik als vorwissenschaftlicher Ausdruck einer höchst subjektiven Theorie: Der Dynamik der Sprungfeder unterworfen, erreichte er eine „kalkuliert zufallsgesteuerte“ expressive Gestik mit konzentrierter Betonung des Prozesshaften und realisierte (s)eine Befreiung von Bewertungskriterien kodierter hierarchischer Systematik. Die direkte Umsetzung der rhythmisch dynamischen Bewegung resultiert in einer eigenartigen Poesie der Deformation, unmittelbar und bizarr – und von bestechender Ästhetik. Zugleich ist im Werk der Moment des Witzes in verschmitzter Offensichtlichkeit präsent. Die Ausstellung veranschaulicht mit bemerkenswerter Spannbreite an Werken von Dieter Roth, Otto Muehl, Günter Brus, Wolfgang Ernst, Bruno Gironcoli, Johann Hauser und anderen die Vielseitigkeit des Mediums Zeichnung, die Direktheit der Aussagekraft, spontan oder rational durchdacht: Immer, und gerade in differenten Facetten präsentiert, ist sie evidentes Zeichen subjektiver Realitäten.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Die vier Musketiere: Beuys, Brus, Kippenberger, Roth
16.03 - 05.05.2012

Konzett Wien
1010 Wien, Spiegelgasse 21
Tel: +43 (0)664 34 01 677, Fax: +43 (0)1 513 01 04
Email: gallery@artkonzett.com
http://www.artkonzett.com
Öffnungszeiten: Di - Fr: 10:00 - 18:00, Sa: 11:00 - 16:00 Uhr


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