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Neues aus Berlin: Guggenheim geht, Mädchenschule kommt

In Berlin geben sich zwei private Kunstinitiativen die Klinke in die Hand. Eine schließt, die andere eröffnet. Unter der eigenwilligen Überschrift „Deutsche Bank baut Präsenz in Berlin aus“ gab das Geldinstitut gestern in einer länglichen Pressemitteilung bekannt, dass sie ihr kulturelles Aushängeschild Deutsche Guggenheim, das sie zusammen mit der Solomon R. Guggenheim Foundation 1997 gegründet hatte, schließen wird. Nach bisher 57 Ausstellungen mit bislang 1,8 Millionen Besuchern wird Ende des Jahres Schluss sein. Bis dahin sind noch vier Ausstellungen zu sehen, die Gruppenschau „Found in Translation“, der „Künstler des Jahres“ Roman Ondák, Gabriel Orozco sowie Cindy Sherman. Schließungsgerüchte hatten sich seit Jahren hartnäckig gehalten. Die von der Guggenheim Foundation stets ausgesprochen aufwändig produzierten Ausstellungen dürften wohl nicht nur außerhalb der Bank die Frage nach dem Nutzen für das Unnternehmen im Sinne von Sichtbarkeit provoziert haben. Nach den Worten von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann soll der Raum zukünftig für ein Dialogforum zwischen Wirtschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft genutzt werden. Gleichzeitig eröffnet diese Woche in Mitte ein neuer Galerie-Gastronomie-Komplex an geschichtsträchtigem Ort. Die jüdische Gemeinde hat endlich einen adäquaten Betreiber für ihre ehemalige Mädchenschule in der Auguststraße gefunden, um die sie sich rund zwei Jahrzehnte lang mit der Jewish Claims Conference auseinandergesetzt hatte. Der private Ausstellungsraum c/o Berlin wäre ebenfalls gerne eingezogen. Doch die Eigentümer hielten das Projekt des Berliner Kunsthändlers Michael Fuchs für tragfähiger. Er ist jetzt für 20 Jahre Mieter des Areals, mit einer Option auf zehn weitere. Für die Umbaukosten in Höhe von fünf Millionen Euro tritt er als Investor auf. Untervermietet hat er an Gerd Harry Lybke, der mit seinem Eigen+Art Lab einziehen wird, in dem er internationale Künstler zeigen wird, die noch nie eine Ausstellung bei ihm in der Hauptgalerie ein paar Häuser weiter oder in Leipzig hatten. Lybke gehört zu den Persönlichkeiten, die Anfang der 1990er Jahre die Auguststraße zum pulsierenden Herz der Berliner Kunstszene gemacht hatten. Inzwischen ist Mitte Mainstream und Touristenziel. Passend dazu ist der Contemporary-Ableger von Camera Work Dritter im Kunstbunde. Auch bei der Gastronomie setzt man auf einen Mix für verschiedene Ansprüche und Geldbeutel. Stefan Landwehr, der sich schon mit seinem Grill Royal in die Herzen der Kunst- und Medienszene gekocht hat, bedient mit Sternekoch Siegfried Danler und fleischlastiger Traditionsküche wahrscheinlich ein ähnliches Publikum wie bsiher, während ein New Yorker Deli wohl eher auf jüngers Publikum und Durchreisende zielt. In einem hinteren Trakt soll der Kosher Classroom jüdische Küche und die entsprechenden Rituale einer Klientel näherbringen, die dafür bereit ist, am Vorabend des Schabbes dafür 75 bzw. 69 Euro (vegan) auszugeben. Die Parallelität der Aufgabe des einen Konzepts und die Realisierung des anderren mögen Zufall sein. Doch beides könnte auch für einen Trend stehen, der in Berlin den Umgang mit zeitgenössischer Kunst kennzeichnet. Der Aufstieg der Stadt zum internationalen Zentrum der Avantgarde ist vor allem privatwirtschaftlichem Engagement zu verdanken. Dazu haben nicht zuletzt die Galerien im Zusammenspiel mit den günstigen Produktionsbedingungen (sprich Mieten) beigetragen. Für Großunternehmen sind Kunst und Kultur - wie bis zu einem gewissen Grad für den Staat – Verfügungsmasse, die zwar das Prestige steigert, aber Geld kostet. Bei einem internen Paradigmenwechsel kann sie eingespart werden. Eingebunden in ein unternehmerische Konzept hingegen, lässt sich damit im günstigsten Fall nicht nur Geld verdienen, sondern gleichzeitig Stadtentwicklung positiv beeinflussen. www.maedchenschule.org
Mehr Texte von Stefan Kobel

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