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George Stubbs (1724-1806) - Science into Art - Tiermalerei zwischen Wissenschaft und Kunst: Künstler und Wissenschaftler

Der englische Maler George Stubbs wird in München mit der ersten großen Ausstellung auf dem Kontinent geehrt Sie lieben ihn heiß und innig auf der Insel. Sie zahlen (früher wie heute) Unsummen für seine Werke. Und doch ist George Stubbs (1724-1806) am Kontinent nur Spezialisten bekannt. Das könnte sich jetzt durchaus ändern, denn die Schau in der Münchner Neuen Pinakothek, die, scheint’s, auf beinah wundersame Weise zusammengekommen ist, kann wirklich begeistern. Nun gut, die ganz, ganz großen Werke (auch vom Format her) sind nicht da (man sieht sie jedoch im Katalog); damit konnte aber auch ernsthaft niemand rechnen, dass etwa das lebensgroße Pferd in Levade, „Whistlejacket“, nach München trabte oder „Hambletonian being rubbed down“ (Hambletonian wird nach dem Rennen gepflegt). Aber die Münchner haben es geschafft, ganz großartige Werke – Malerei, Zeichnung, Druckgrafik – nach München zu bekommen, so dass sich auch eine weite Anreise für diese Ausstellung lohnt. In England war man freudig überrascht, dass auf dem Kontinent, zumal in Deutschland, sich Interesse an Stubbs und der englischsten aller Gattungen, der „Sporting Art“ (Bilder von Pferden, Rennen und der Jagd) regt. Da nahm man Ausleih-Anfragen wohlwollend auf. George Stubbs, ein Mann aus Liverpool, war der führende Tiermaler, vor allem Pferdemaler seiner Zeit. Aber sein Oeuvre ist nicht auf das in der akademischen Hierarchie ja niedrig angesiedelte Tierbild beschränkt, er war ein großartige Porträtist, vor allem ein Meister des Gruppenporträts. Dazu kamen auch noch Genrebilder. Eine besondere Bedeutung erlangte er durch seine Pferdeanatomie. Ein kräftig gebauter, starker Mann war Stubbs, sonst hätte er seine Pferdeanatomie nie hinbekommen. Er mietete sich ein kleines, abgelegenes Haus in Mittelengland. Unten wohnte er, oben war sein Seziersaal. Er trug ein halbes Pferd (!) eine Treppe hoch, führte die Sektion durch, hielt alles auf sehr filigranen Zeichnungen fest (wovon einige die Schau zieren), und begab sich zu gegebener Zeit nach London. Dort etablierte er sich als Maler, wiewenn er für seine adeligen Kunden auch auf deren Landsitze zu reisen hatte, und machte sich auf die Suche nach einem Stecher, denn er wollte die Zeichnungen ja publizieren. Solch aufwändige Arbeiten in Kupfer zu stechen war aber allen zu viel und eine zu schwierige Arbeit. Also setzte sich Stubbs nach Feierabend daran, die Platten selbst zu stechen. Nach jahrelanger Arbeit wurden sie dann veröffentlicht, und die „Anatomy of the Horse“ war das Standardwerk bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Zeigt sich hier eine Synergie zwischen künstlerischem und wissenschaftlichen Wollen (worauf Werner Busch im Katalog ausführlich eingeht), so waren Stubbs’ Ziele aber dennoch primär künstlerischer Natur. Als Veterinär hat er sich nie verstanden. Kein Wunder, wenn Stubbs noch immer der anatomisch korrekteste und präziseste Pferdemaler ist, gleich, ob die Hottehühs allein oder in Zusammenhänge eingebunden erscheinen, etwa in Gruppenporträts. In solchen hat es oft auch Kutschen, und man kann nach Stubbs’ Darstellung einen Phaeton zum Beispiel durchaus nachbauen. Das spricht – wie auch die korrekte Anatomie seiner Hundebilder und der anderen, teils auch exotischen Tiere, von seiner enorm ausgebildeten Beobachtungsgabe. In der „Grosvenor Hunt“ (nur im Katalog) kann man das Wasser, das ein hineinspringender Hund aufspritzen lässt, so genau sehen wie erst viel später in der Momentfotografie. Stubbs muss Hunderte Male zugesehen haben, wie Fifi baden ging … Das genaue Erfassen eines Tieres in Anatomie und Haltung kam vielen Ansprüchen seiner Auftraggeber entgegen, die als Züchter ihre Erfolge gleichsam wie in einem Musterbuch verewigen und natürlich auch durch Reproduktionsstiche verbreiten ließen. Stubbs blieb dabei stets objektiv. Als er einmal einen Zuchtbullen zu monumentalisieren hatte, malte er ein Huhn dazu, um die Proportionen wieder gerade zu rücken. Von besonderer Qualität sind seine Porträts, in denen die Porträtierten oft mit Pferden zu sehen sind. Ein Araberpferd im 18. Jahrhundert, das war so etwas wie der Sportwagen heute, auch als Statussymbol. Und von den Porträts sind die Gruppenporträts von allerhöchster Qualität. Wie in der ganzen englischen Kunst des 18. Jahrhunderts noch der Einfluss der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts (viele Niederländer haben ja in England gearbeitet) zu spüren ist, so auch bei Stubbs. Aber in ganz eigenständiger Ausführung. Gänzlich unniederländisch und eher an Claude Lorrain orientiert ist der silbrig-dunstige Schleier, der sich wie ein melancholischer Hauch über viele Bilder legt und ihnen einen ganz besondern Zauber verleiht. Dazu stehen die Mitglieder der Gruppen zumeist in einer friesartigen Reihung bildparallel. Das entspricht einer zurückhaltenden, aber festen Beherrschung der Szene und gibt dem Maler Gelegenheit, die Pferde seitwärts zu zeigen, was ästhetisch zumeist befriedigender herüberkommt als wenn sie spitz (frontal) stünden. Auch drückt sich so Stabilität (gleich Selbstsicherheit) aus und es hat ausreichend Platz, seine oft subtilen kompositorischen Strategien auszubreiten. Das beste Beispiel dafür ist, in der Münchner Ausstellung, das Gruppenporträt der Familien Melbourne und Milbanke, in dem die Personen durch ineinandergreifende Klammerungen aufeinander Bezug nehmen. Das ist höchste Kompositionskunst. Der Katalogeintrag zu diesem Bild erscheint jedoch etwas merkwürdig, alldieweil der Verfasser dort eine Unverbundenheit der Personen ausmachen will, die „auf die künftigen Spannungen im Eheleben vorauszudeuten“ scheinen. Jo mei. Darob kann sich nur ein allgemeines Schütteln des Kopfes erheben. Überaus modern wirken die Gruppenbilder von Stuten und Fohlen ohne Hintergrund. Der undifferenzierte Farbraum wird nur durch angedeutete Schatten an den Hufen strukturiert, damit die Pferde nicht schweben, was den Gruppen eine meditative Stille und, durch die extreme Selbstbezüglichkeit, eine emotionale Tiefe verleiht die noch über die herausragenden Stuten und Fohlen in Landschaften hinausgeht. Stubbs hat, im Genrebild, und da berührt er sich mit seinem etwas älteren Zeitgenossen William Hogarth (1697-1764) und seinem jüngeren Kollegen George Morland (1763-1804), auch das einfache Volk als bildwürdig empfunden. Seine „Labourers“ erweisen sich als selbstgenügsam, sie sind, wie sie sind und was sie sind, Arbeiter in Ausübung von Tätigkeit. Seine „Reapers“ (ein Erntebild), in der Schau als Reproduktionsstich zu sehen, erscheinen allerdings erhöht, nobilitiert, idealisiert und damit ins Allgemeingültige erhoben. Wie gesagt: Eine Ausstellung, die auch eine längere Anreise rechtfertig, eine mit drei Sternen sozusagen.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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George Stubbs (1724-1806) - Science into Art - Tiermalerei zwischen Wissenschaft und Kunst
26.01 - 06.05.2012

Neue Pinakothek
80799 München, Barer Str. 29
Tel: +49 0 89 23805 195
Email: info@pinakothek.de
http://www.pinakothek.de/neue-pinakothek/
Öffnungszeiten: Mo, Do - So 10.00 - 18.00, Mi 10.00 - 20.00


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