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Kunsthalle Wien: alles Gute zum Geburtstag!

Die Etablierung der Kunsthalle Wien vor genau zwanzig Jahren war eine kulturpolitische Großtat. Sie zeitigte gleich mehrere positive Effekte für die Stadt. 1992 war Wien noch eine triste Stadt: Alle Häuserfronten waren grau, die meisten Menschen in den Straßen alt und mieselsüchtig. Doch plötzlich stand da dieser blau-gelbe Containerbau am Karlsplatz. Weil der Kunsthallen-Bau direkt am innerstädtischen Verkehrsknoten und nur temporär angelegt wurde, wirkte er wie eine riesige, frisch erblühte Blume in der Wüste. Es war, als würde das Stadtbild erstmals wieder durchatmen, in der Folge begann sich die Stadt zu modernisieren und aufzuhellen. Auch für die zeitgenössische Kunstszene begann mit der Eröffnung der Kunsthalle eine neue Ära. Zuvor hatten sich vor allem nur die Künstlervereinigung Secession und einige private Galerien der zeitgenössischen Kunst gewidmet. Mit der Kunsthalle jedoch gab es erstmals auch zeitgenössische Themenausstellungen in der Stadt und internationale Positionen wurden schneller aufgegriffen. Zusammen mit ihrem großen hippen Terrassencafé begeisterte die Kunsthalle vor allem ein junges, urbanes Publikum. Dadurch ausgelöst begann zeitgenössische Kunst allgemein mehr und mehr schick zu werden und andere Institutionen ließen sich von dem geweckten Interesse anstecken: Bereits im Jahr darauf verdoppelte das Kunstforum der Bank Austria ihre Ausstellungsfläche, die Generali Foundation erschloss 1995 in der Nähe der Kunsthalle ihre bald international renommierten Ausstellungsräume und seit 1995 widmete sich auch die agile BAWAG Foundation ausschließlich der zeitgenössischen Kunst. Der nächste Entwicklungsschub für die zeitgenössische Kunst erfolgte rund zehn Jahre nach dem Eröffnungsschub der Kunsthalle: Im Jahr 2001 eröffnete das Museumsquartier mit einem imposanten „Museum für moderne Kunst“ (Mumok), zudem wurden viele neue Kunstgalerien gegründet, es erwuchs eine eigene Messe für zeitgenössische Kunst im MAK (seit 2005: VIENNAFAIR in der Messe Wien), gleichzeitig erweiterte auch die altehrwürdige Grafische Sammlung Albertina ihr Spektrum hin zur modernen und zeitgenössischen Kunst. Einzig mit der Kunsthalle hatte dieser Schub nichts mehr zu tun: Sie übersiedelte zwar ebenfalls 2001 in das MQ, wurde aber als Bauwerk unsichtbar. Nun, weitere zehn Jahre später, 2012, hält der Boom der zeitgenössischen Kunst noch immer an: mit der VIENNA ART WEEK etablierte sich ab 2005 zusätzlich ein jährliches Kunstfestival und mit dem Kunsthistorischen Museum und dem Belvedere (21er Haus) sind erst jüngst zwei weitere Bundesmuseen im großen Stil dem Trend zur zeitgenössischen Kunst gefolgt. Man könnte also durchaus sagen, dass jene kulturpolitische Initiative, die die Stadt Wien vor 20 Jahren dankenswerter Weise setzte, heute im Mainstream der Gesellschaft (als wirtschaftlicher Faktor und als Reflexionsmedium) angekommen ist. Die Kunsthalle, als temporäres Raketen-Projekt gestartet, hat ihre Mission damit bravourös erfüllt. Das wichtigste Geburtstagsgeschenk, das man diesem Entwicklungsinstrument (jährliches Budget: rund 4 Mio. Euro) nun allerdings wünschen muss, ist eine neue Mission. Dass die Kunsthalle seit längerem nur mehr in Form von Personalquerelen von öffentlichem Interesse ist, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass etwas zu Ende gegangen ist. Zu Ende gegangen ist der einstige Auftrag. Was nun zu bestimmen ist, ist ein neues kulturpolitisches Anliegen der Stadt. Die Frage ist, auf welchem Gebiet man gerne etwas für die Zukunft bewegen würde. Will man vielleicht ein Kulturhaus für Jugendliche etablieren? Oder will man die soziale Integration stärken? Will man ein großes Kreativitätszentrum mit Mal- und Sprachkursen? Oder wäre es lohnender, über ein Architekturmuseum in die Stadt zu wirken? Die derzeitige direktionsfreie Zeit (der langjährige Direktor wurde von seinen Aufgaben freigestellt) sollte als Chance genutzt werden. Es kommt nämlich selten vor, dass eine Institution nicht notorisch vor allem bestands- und postensichernd agiert und allfällige Diskussionen und Ideen nicht sofort unterminiert. Statt „pro domo“ könnte nun tatsächlich „pro urbe“ gedacht werden. Vielleicht verknüpfen sich die entsprechenden Gedanken dann sogar wieder mit anderen Kultur-Baustellen der Stadt: z.B. dem Künstlerhaus oder dem Wien Museum. Für beide könnte eine „Kunsthalle-NEU“ ein interessanter Partner sein. Aber eben nur, wenn man die institutionelle Struktur der Kunsthalle – jenseits der Leitungspersonen – tatsächlich auch INHALTLICH neu anlegt.
Mehr Texte von Vitus Weh

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