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Neue Fälschungsvorwürfe rund um die Knoedler Galerie in New York

Gerade eben schien doch alles wieder so schön übertüncht zu sein, was am Gebäude Kunstmarkt abgeblättert war, da zeigen sich andernorts neue Risse. Wird die Farbe diesmal reichen? Vor kurzer Zeit wurde der relativ müde Urteilsspruch im Fall Jägers verkündet, und der Kunstmarkt erholte sich daraufhin phönixgleich. Doch schon bringt ein weiterer Skandal den Elfenbeinturm Kunstmarkt erneut zum Erzittern. Der Hedgefondsmanager Pierre Lagrange hatte im November 2007 einen Pollock bei der 165 Jahre alten Knoedler Galerie um 17 Millionen Dollar gekauft. Doch als er das Werk, “Untitled 1950” am 29. Oktober 2010 erst zu Sotheby’s brachte, wurde es abgelehnt. Ein Paar Monate später brachte er es zu Christie’s, doch auch hier stieß er auf Ablehnung. Am 10. Mai 2011 erhielt er einen Brief von Christie’s in dem erklärt wurde, das Pollocks´s die nicht im Catalogue raisonné enthalten sind, im Kunstmarkt zumeist als unverkäuflich gelten. Als er daraufhin das Bild untersuchen ließ, stellte sich dieses als Fälschung heraus. Darauf brachte er zwei Klagen ein, eine gegen die frühere Leiterin von Knoedler, Ann Freedman und eine gegen die Galerie Knoedler selbst. Freedman war zwar zum Zeitpunkt des Verkaufs die Leiterin von Knoedler, hatte aber 2009 dort gekündigt. Dabei wurden schon Mitte der neunziger Jahre erste Zweifel an von Knoedler verkauften Werken geäußert. Es handelte sich damals um Werke des 1993 verstorbenen Künstlers Richard Diebenkorn, der einer als der einer der wichtigsten Amerikanischen Nachkriegskünstler gilt. Eines seiner Bilder hängt derzeit sogar im Weißen Haus. Das Gremium der Diebenkorn Foundation, die dessen Nachlass verwaltet, weigerte sich die Bilder als echt zu erklären, da ihr die Provenienz zu vage war. Doch dass es sich bei den Bildern wirklich um Fälschungen handelte, kam erst 2009 ans Licht. Am 20. Februar 2007 hatte Marc Blondeaus Galerie Killala Fine Art Limited ein Bild von Motherwell über den ehemals bei Knoedler arbeitenden Makler Julian Weissman gekauft. Blondeau hatte vor dem Kauf Weissman mitgeteilt, er würde nur kaufen, wenn die Dedalus Foundation, die derzeit Motherwells Catalogue raisonné in Arbeit hat, ein Echtheitszertifikat ausstellt, da die Herkunft im Dunkeln lag. Aber auch die Gerichtdokumente können nicht alles erhellen. Hier findet sich zum Beispiel ein Brief der Dedalus Foundation, der mit dem 2. März 2007 datiert ist, dem die Echtheitserklärung für den fraglichen Motherwell beigefügt war, diese ist aber mit dem 15. Februar datiert. Laut der Klagschrift von Killala soll die Echtheitserklärung vom 2.März ein falsches Datum haben. Ansonsten wäre es von Killala noch vor der Echtheitserklärung angekauft worden. Das Bild selbst stammte aus der weitgehend unbekannten Galerie von Glafira Rosales. Ursprünglich sollten nur Jack Flam, der Leiter der Dedalus Foundation, Morgan Spangle und zwei weitere Personen, die nicht Teil des Dedalus Forschungsteam waren, das Bild untersucht haben. Später untersuchten mehrere Experten der Dedalus Stiftung Bilder, die von Rosales stammten, und da wurde klar, was Jahrzehnte verschleiert wurde. Die Bilder decken sich weder im Stil noch in den verwendeten Malmaterialen mit Motherwells Arbeitsweise. Manche Farben kamen erst nach seinem Tod auf den Markt, nie hatte er so gearbeitet. Ein Gründungsmitglied der Dedalus Foundation, Joan Banach, war 2008 entlassen worden, nachdem Dedalus erfahren hatte, dass Banach undokumentierte Werke von Motherwell über Christies und Knoedler verkauft hatte. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, diese Werke zumindest zu katalogisieren, lässt sich einem Gerichtsdokument entnehmen. Dedalus erfuhr vom Verkauf erst, als Christie´s um eine Authentifizierung eines Werkes anfragte. Jack Flam, der Leiter der Stiftung, zeigte sich verwundert, als er dieses begutachtete, und erklärte es daraufhin als nicht authentisch. Später, nachdem er mit Banach geredet hatte, wurde das Werk von Dedalus als echt anerkannt. In einer der Redaktion vorliegenden Anklageschrift greift Banach ihrerseits Flam an, er soll mehrere Werke fälschlich als authentisch zertifiziert haben, obwohl diese es gar nicht waren. Der Entlassungsgrund soll ihre Aufdeckung dieser Missstände gewesen sein. Laut Lee F. Bantle, dem Anwalt von Banach, soll eben das Bild, das von Julian Weissman an Killala verkauft wurde, Teil jener Bilder gewesen sein, wo sie anderer Meinung als Flam war. Einer der Anwälte, der die Dedalus Stiftung vertritt, äußerte sich aber gegenteilig. Laut ihm soll es keinerlei Zusammenhang geben. Einer der Entlassungsgründe war, dass Mitarbeiter, laut Gerichtsakten, Banach beobachtet haben wollen, wie sie Objekte aus dem Archiv ohne vorherige Absprache außer Haus gebracht hat. Ein anderer wiederum war, dass sie mehrere Jahre lang, obwohl sie in ihrer Funktion als Mitglied des Catalogue raisonné-Gremiums diese dokumentieren hätte müssen, mehrere bis dato undokumentierte Werke von Motherwell über Christie's und die Galerie Knoedler verkauft hat. Marc Blondeau verklagte daraufhin sowohl Weissman als auch die Dedalus Foundation. Dabei stellte sich heraus, dass Weissman Dedalus und Blondeau unterschiedliche Herkunftslegenden aufgetischt hat. Letzten Endes wurde die Angelegenheit außergerichtlich entschieden, und Blondeau erhielt den Kaufpreis von Weissman und Rosales zurückerstattet. Beide mussten zusammen an Dedalus $200,000 Dollar zahlen. Dedalus durfte das Bild mit einem langen Schriftzug versehen, dessen letzter Satz folgend lautet: „Dieses Bild ist keine authentische Arbeit von Motherwell, sondern eine Fälschung." Vor Kurzem ließ Julian Weissman verlautbaren, er hätte das Geld nur deswegen zurückgezahlt, da er durch eine Krankheit geschwächt, nicht die Kraft für ein Gerichtsverfahren aufwenden konnte. Nun fing das FBI an, Knoedler zu durchleuchten. Und siehe da, auch einige der Werke, die Knoedler seit 1993 zum Verkauf angeboten hatte, stellten sich als zweifelhaft heraus. Glafira Rosales, die Kleinstgaleristin, hatte eben diese Bilder an Knoedler verkauft. Sieben gefälschte Diebenkorns und mehrere Dutzend gefälschte Motherwells, Pollocks, Rothkos und Willem de Koonings sollen aus einer einzigen Quelle kommen, wie es einem Brief von Rosales an Ann Freedman zu entnehmen ist. Es soll ein enger Freund der Familie sein, der aber anonym bleiben will. Er soll in Mexiko und der Schweiz leben, und Zuckerhändler sein. Noch konnte nicht geklärt werden, ob diese Person wirklich existiert. Freedman jedenfalls war mit dieser vagen Geschichte derart zufrieden, dass sie für ihre Privatsammlung drei Bilder von Rosales ankaufte. Kurz bevor der Hedgefondsmanager Pierre Lagrange seine Klage gegen Knoedler und Freedman einbringt, schließt die altehrwürdige Galerie, scheinbar für immer, ihre Pforten. Kurz davor wechselten einige von Knoedler vertretene Künstler noch schnell zu anderen Galerien. Wie schon im Fall Beltracchi sind auch hier wieder namhafte Experten in den Fall verwickelt, wie am Beispiel der von der Dedalus Stiftung untersuchten Bilder klar wird. Am 2. Februar 2008 erhält Flam von Knoedler Kopien zweier Briefe des Kunsthistorikers Robert Hobbs, der schon für Knoedler als Sachverständiger gearbeitet hatte. Hierin erklärte dieser, dass zwei gefälschte Motherwells nicht nur echt, sonder auch Meisterwerke sein sollen. Schließlich werden beide Bilder als Fälschungen erkannt, die Kunsthistorikerin Dore Ashton nannte sie sogar „lachhafte Fälschungen“. Kurz darauf wird Dedalus ein weiterer Brief eines ehemaligen Knoedler-Mitarbeiters geschickt, diesmal ist es der Kunsthistoriker Stephen Polcari. Er schreibt, dass nicht nur die fraglichen Motherwells echt sind, sondern andere Werke auch, darunter Werke von Pollock, Kline, Rothko und anderen Künstlern. Alle kommen von der gleichen Quelle: Rosales. Daraufhin besuchte Flam am 20. 2. 2008 Eugene Victor Thaw, einen Mitherausgeber des Catalogue raisonné über Pollock. Thaw hatte zwei der vermeintlichen Pollocks gesehen, und erklärte seinem Besucher, dass beide nicht von Pollock stammen. Als 2009 der Verleger Si Newhouse einen der Rosales - Pollocks angeboten bekam, war es Thaw, der ihm von einem Kauf abriet. Ebenfalls lässt sich einem Gerichtsdokument entnehmen, dass Thaw der Kuratorin E. A. Carmean Jr., die schon mehrmals mit Knoedler zusammengearbeitet hatte, gesagt haben will, dass die Bilder keine Pollocks sind. Diese erinnert sich aber anders. In einer eidesstattlichen Erklärung, die in der Verhandlung verlesen wurde, will sie sich daran erinnern, dass Thaw kein konklusives Urteil abgeben konnte, als sie ihm die Bilder zeigte. Ann Friedmann sagte aus, das Bild sei doch von Pollock, die beiden Farben wären ihm womöglich vom Hersteller geschenkt worden, als diese noch im experimentellen Stadium waren. Laut ihr soll es damals Usus gewesen sein, dass Farbenhersteller experimentelle Farbmischungen an KünstlerInnen aushändigten. Nun ist sie die Leiterin der Galerie Freedman Art. Sie beteuerte ihre Unschuld mit der Erinnerung daran, dass sie selbst Bilder Rosales angekauft hat. Die Quelle der Fälschungen, die 55 jährige Glafira Rosales, ist nahezu unbekannt in der Kunstwelt, weder besitzt ihre Galerie, die Glafira Rosales Fine Art LLC eine Homepage, noch ist sie bis zu dem Fälschungsskandal jemals in den Medien aufgeschienen. Doch hatte sie bereits früher mit ihrem Mann Carlos Berganitos die King Fine Arts Galerie in New York betrieben, die jetzigen Verkäufe soll sie ohne ihn abgewickelt haben. Weissman hatte am 2. Februar 2000 einen Gewährleistungsvertrag mit ihr zusammen unterzeichnet, in dem unter anderem steht, dass sich beide eventuell anfallende Gerichtskosten teilen werden. Bei der Anhörung war Rosales nicht vertreten, sie machte von ihrem Recht Gebrauch, sich selbst nicht belasten zu müssen. Ihr Anwalt verlautbarte aber, dass sie weiterhin an ihrer Unschuld festhält. Aus einem Gerichtsdokument, das der Redaktion vorliegt, lässt sich entnehmen, dass die Herkunftslegenden - vom anonymen Erben bis zu einer Saudi-Arabischen Prinzessin - wie Kleidungsstücke ausgetauscht wurden, wenn sie nicht mehr tragbar waren. Wieder einmal haben sich Bruder Stolz und Onkel Gier den Pinsel gereicht, als es darum ging, die Wahrheit zu übertünchen. Es scheint, dass kein Genuss so flüchtig und so lächerlich vergänglich ist, wie der des merkantilen Kunstankäufers. Doch wirklich gefährdet ist die Kunst selbst, denn wenn das Werk von einer gesamten KünstlerInnengeneration aus Profitgier verfälscht wird, so hat dies katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Sphäre der Kunst. Untersuchungen sind teuer, die Akteure im Kunstmarkt streben diese meistens nur dann an, wenn dadurch eine Gewinnsteigerung möglich wird. Viele KunsthistorikerInnen in Amerika wagen es nicht, SammlerInnen oder Galerien ein Kunstwerk als nicht authentisch zu erklären. Man lehnt dann einfach ab oder, wie bei Warhol, äußert keinerlei Beweggründe, da sonst der oder die BesitzerIn klagen könnte. Das Gremium, das sich damit beschäftigte, Warhols Werke aus dem Unrat, der sich als echt ausgeben möchte, herauszusuchen, hat nach eben einem solchen Prozess für immer die Pforten geschlossen. Man will sich ab nun nur noch mit dem Catalogue raisonné beschäftigen, da der Prozess zu viel Geld verschlungen hat, obwohl sie recht bekommen hatten. Aber die gesamte Sphäre der Kunsthistorie ist in Gefahr, denn Einzelpersonen haben meist nicht die finanziellen Mittel, um die Anwaltskosten in einen zivilrechtlichen Prozess zu bezahlen. Diese müssten sie nämlich in den USA selbst wenn sie den Prozess gewinnen, bezahlen. In Europa ist dies zum Glück nicht möglich, da hier die Anwaltskosten vom Unterlegenen im Prozess bezahlt werden müssen. In den USA versuchten verärgerte Ankläger sogar, mittels der Anti-Thrust Gesetzgebung gegen Authentifizierungsgremien vorzugehen. Der Kurator und Kunsthistoriker Marc Restellini wiederum gab die Arbeit an den von ihm bearbeiteten Catalogues raisonné über Modigliani auf, nachdem ein Sammler, dessen Besitztümer nicht vorgekommen wären, ihm eine Klage angedroht hatte. Manche Amerikanischen Museen sollen übrigens ihre Kuratoren angewiesen haben, ihre Meinungen bezüglich authentischen und nicht- authentischen Werken tunlichst nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Doch auch das gänzliche Verstummen scheint keine Lösung zu sein. So wurde das Gremium, das sich mit der Authentifizierung der Werke von Jean-Michel Basquiat beschäftigt, verklagt. Es hätte entweder 5 Millionen Dollar an Schadenersatz zahlen sollen, oder eine Entscheidung finden müssen. Die Klage wurde zwar niedergeschmettert, später wurde das Werk „Fuego Flores“ von 1983 von demselben Gremium als authentisch deklariert. Im September 2012 wird nun auch dieses Gremium schließen. Vielleicht werden KunsthistorikerInnen in der Zukunft nicht nur für die Nichtauthentifizierung verklagt werden, sondern auch für Wissenschaftliche Publikationen oder Symposiumsbeiträge. So gab es vor einiger Zeit auch in Wien einen kleinen Eklat bei einer Schiele-Tagung an der Akademie der Bildenden Künste, als einer der Sprecher mehrere Schiele zugeschriebene Werke als nicht authentisch deklarierte. Worauf die anwesende Besitzerin lautstark den Vortrag störte. Wie mag es wohl in Zukunft sein? Hätte diese Person vielleicht, wäre das Symposium in einem Amerikanischen Kunstinstitut abgehalten worden, die Polizei rufen können? Ja wie lang ist der Arm derer, die sich nicht um die Künstler, sondern um ihre Investionen kümmern? Wir werden es an der Qualität der Werke sehen, die uns an den Wänden hängend, mit falscher oder richtiger Zuschreibung, anlächeln. – Hoffentlich werden wir dann noch in der Lage sein, ein fratzenhaftes Grinsen einer Fälschung von einem Lächeln zu unterscheiden.
Mehr Texte von Patrick Schabus

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