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Beauty Contest: Schöne Opfer zur Selbstoptimierung

„Beauty contest“, so der Titel der Ausstellung im MUSA, verspricht wohl nur dem Naiven Bikinigirls mit Krönchen und glitzernden Glückstränen. Allen anderen dürfte spätestens beim Anblick der erfrischend mit Zähnen ausgestatteten Supertitten des Performancekostüms von Carina Bezzola klar sein, dass es hier um etwas Ernsteres geht als Sachen im Fernsehen. Der Pressetext zur Ausstellung stellt unsere Gegenwart als Leidenschaft unter dem Diktat der Schönheit drastisch dar – „dringt in alle Poren der Körper und alle Ritzen der menschlichen Psyche“ – es ist also eine Aufklärungsveranstaltung geboten über die Gefährdungen, wenn nicht die Tyrannei der Schönheit. Man könnte sich eventuell amüsieren über den rotweißen Trinkhalmhintern von Katarina Schmidl („Ein schönes Stück Österreich“). Maria Lassnigs Selbstportrait weist im Nebentitel mit Marie Antoinettes Spottnamen „L´autrichienne“ in eine national-autoaggressive Richtung, wenn man nicht bereit ist, die seltsam fleischig, verwachsen phallisch anmutenden Ausstülpungen schön zu finden. Kurz könnte man hoffen, dies wäre eine Ausstellung über die Agonie der Österreicher, Österreich schön zu finden, aber das ist gegenüber der Globalität zu provinziell gedacht. Es gibt viel mehr, was hässlich scheint und nicht schön genug. So sagt Muntean und Rosenblums schlecht gehängte, große Leinwand mit verloren in Antilandschaft herumstehenden, beziehungslosen Schönlingen im Untertitel unheilverkündend „In the world we live in, what we know and what we don´t know are like siamese twins inseparables existing in a state of confusion“, - wir werden gewarnt. Im großen Saal folgen verschiedenste Visualisierungen global operabler Probleme mit diktatorischer Schönheit – Männer, die Frauen sein wollen (Matthias Herrmann), eine Frau, die sich die Nägel lackiert und ein Mann mit einer absurden Nase (Cindy Sherman), ein Mädchen bei der Gymnastik (Ulrike Lienbacher), Menschen als Schmuck oder im Schmuck eines strikten Ornaments (Reshad Newsome, Andrea Freiberger, Sissi Farassat), arme Menschen vor und nach einem Friseurbesuch (Mehmet Emir), die Objektivierung des Menschen als Fotomodell (Eva Chuong-Fox), ein Frau, die eine Frau, die sich als Mann inszeniert hat, inszeniert (Irene Andessner), ein Rückenakt, der wohlmöglich schonungslos an Man Rays Violon d´Ingres erinnern könnte, aber beschrieben ist (Birgit Jürgenssen), die Schwierigkeit folkloristischer Kleidung (Sula Zimmerberger) und mehr. Der verstörende Videokubus von Maria Petschnig gibt enorme Möglichkeiten zu eigentümlichem Fremdschämen – und damit ist etwa die Hälfte der insgesamt 26 vertretenen Positionen gestreift. Bestimmt ist für jeden was dabei. Die Ausstellung belegt einwandfrei, dass die Problematik der Schönheit und ihrer drangvollen Herrschaft nicht nur weltweit existiert, sondern auch pluralistisch ist: dass die einen mit den Hässlichkeiten kämpfen, die ihr Geschlecht, Gewicht, Alter und Vermögen verursachen und die anderen mit den Gemeinheiten, die ihr Geschmack ihnen auferlegt. Insofern dürfen alle sich irgendwo und irgendwie als Opfer fühlen. Das ist doch mal ein nettes Angebot.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Beauty Contest
17.02 - 26.05.2012

MUSA
1010 Wien, Felderstraße 6-8, neben dem Rathaus
Tel: +43 (0)1 4000 8400, Fax: +43 (0)1 4000 99 8400
Email: musa@musa.at
http://www.musa.at
Öffnungszeiten: Di - Fr: 11:00 - 18:00, Do: 11:00 - 20:00, Sa: 11:00 - 16:00 Uhr


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