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Cut - ups, Cut - ins, Cut - outs. Die Kunst des William S. Burroughs: Schuld und Sühne

„The picture was the victim. Who was the picture?“ Niki de Saint Phalle Seine Frau überlebte ihn nicht, eine Kugel, von ihm abgefeuert, beendete ihr Leben vorzeitig. Nachher war sein Leben leer, er selbst schien sich fremd, als Wilhelm Tell, Ehemann und Vater war er gleichzeitig gescheitert. Er selbst sah sein „Kreativwerden“ hierin begründet, sicher ist jedenfalls, dass der Tod seiner Frau ihn zeitlebens verfolgte. Seine darauffolgende Flucht vor der Gerichtsverhandlung mündete in einer endlos scheinenden Reise ohne Pausierungsmöglichkeit. Kraftlos nimmt er Drogen, versucht sich dabei selbst zu verlieren, zu vergessen, und gerät immer wieder an Land, nur um sich selbst wieder und immer wieder zu erblicken. Dabei und danach entstanden seine Werke, große wegweisende Literatur, Zeichnungen, Gemälde und Filme. Es ist als würde er dabei seine Schuld Stück für Stück sühnen, sicherlich länger als die zwei Jahre, die er in absentia durch das mexikanische Gericht zugeteilt bekam. Zu seinem Oeuvre zählen auch Gemälde, die er mithilfe eines Gewehrs und an dem Bildträger angebrachten Farbdosen herstellte. Nicht unähnlich zu ebenjenen Bildern, die Niki de Saint Phalle erzeugt hat. Hier begegnet uns aber eine andere ästhetische Formel. Es ist ein Amalgam aus Chance, Operation und präzise angeordneter Collagierung. Sensible Strukturen treffen hier auf brachial aufgerissene Bildträger, übergossen von explodierten, brennenden Farben. Irgendwo kann man sich noch die eine oder andere Kugel dazudenken. Wer die Austellung in der Kunsthalle betritt, erhält die Möglichkeit in mehreren Schaukästen den Werdegang der „Cutup – Technik“ zu bestaunen. Angeregt durch Brion Gysin, seinen langjährigen Freund und Coautor hatte er begonnen zufällige Stücke aus scheinbar beliebigen Texten aneinanderzureihen und damit neue Texte, ja sogar Romane zu erzeugen. An den Wänden finden sich auch sehr spannende, bislang selten gezeigte Collagen, bei denen der zusammengesetzte Text mit dem Bild verschmilzt. Mancherorts erinnern die hier zu bestaunenden Bildsprachen an Comics und Werbungen. Im zentralen Raum, der fast alle anderen Räume miteinander verbindet, stehen die Werke, die mithilfe des Gewehrs entstanden sind. Hier finden wir Elemente, die schon in anderen Arbeiten in der Ausstellung zu finden waren, gesammelt wieder. Dieser Wiedererkennungseffekt wird spannender je öfter man wieder in die anderen Räume zurückgeht, um Ähnlichkeiten zu suchen. Das Suchen zahlt sich hier über alle Maßen aus, sind es gerade eben die Aneinanderreihungen diverser archivarischer Burroughs-Materialien, durch die diese Austellung wirklich brilliert. Schon fast am Ende der Austellung angekommen, findet man ein Sofa und darüber ein Regal mit Büchern, die seine Leseempfehlungen und Lieblingsbücher waren. Wer will, und die nötige Zeit hat, könnte die Bücher wahrscheinlich auch hier lesen, doch scheint dies praktisch nicht umsetzbar, denn es sind genügend Bücher, um selbst die eifrigsten Leser für mehrere Wochen komplett einzudecken. Im nächsten und auch letzten Raum werden etliche Filme, in denen Burroughs zu sehen ist, gezeigt. Diese Filme verlieren sich leider oftmals in einer allzu beliebigen und retardierenden Bildabfolge, und es sind die abgelichteten Personen und Gegenstände, wie zum Beispiel Brion Gysin nebst seiner Skulptur „Dream Machine“ in dem Film „Towers Open Fire“, die zum Ansehen der Filme anregen können. Die „Cutup-Technik“, die sonst Werke bahnbrechender Qualität hervorbringen konnte, greift bei „Towers Open Fire“ scheinbar nicht, hier sehen wir leider nur ein stumpfes Buttermesser am Werk. Auch die anderen Filme sind eher ernüchternd, nacheinander reden Burroughs und Gysin dieselbe Abfolge von Sätzen, dann bekommt der jeweils andere die Stimme von der anderen Person, oder man kann Burroughs in einem anderen Film beim Papageienkauf zusehen. Was vielleicht irgendwann als Experiment oder Witz angedacht war, wird auch in dieser sonst so gelungenen Austellungsanordnung zu keiner gleichberechtigten Arbeit. Schade, dass das Filmmaterial, in dem er mit einem Gewehr auf die Bilder schießt, nicht gezeigt wird. Vielleicht werden ja manche BesucherInnen dieses Werk vor oder nach Besuch der Austellung im Internet ansehen. Der Austellungskatalog kann jeder Person, die Interesse an Burroughs hat, ans Herz gelegt werden, denn viele Interviews wurde hier zusammengetragen, die, besonders wenn sie nacheinander gelesen werden, neue Zugänge zu dem Künstler und Autor erschließen. Wer kann auch nur ahnen, was zu lesen wäre, wenn dieses Buch nun auch per „Cutup – Technik“ vom Künstler zu einem neuen Werk verarbeitet worden wäre? Wir werden es leider nie erfahren.
Mehr Texte von Patrick Schabus

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Cut - ups, Cut - ins, Cut - outs. Die Kunst des William S. Burroughs
15.06 - 14.10.2012

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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