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Michael Snow - Recent Works: Der Maximalist der Filmleinwand

Sieben neue Arbeiten von Michael Snow sind in den Ausstellungsräumen der Secession zu sehen, leider nicht im Hauptraum, sondern in den anderen Räumen. Er wird oftmals zu den Formalisten und Minimalisten hinzugezählt, doch sieht er sich eher als Maximalist, wie er es selbst betont. Besonders schwer ist es, sein Oeuvre einzuordnen, da seine Arbeiten in diversen Medien oftmals extrem verschieden sind. Manchmal scheinen hier gleich mehrere Künstler am Werk gewesen zu sein, doch war es immer Snow allein der auf verschiedenen medialen Pfaden bislang unbekannte ästhetische Neuentdeckungen machte. Selbst wenn der gleiche Gegenstand abgebildet wird, findet Snow zu gänzlich anderen Aussagen und Formensprachen. So verwendete er ein Fenster in seiner Hütte schon 1992 für die Fotografie „Speed of Light”. Nun können die Besucher der Secession dasselbe Fenster in dem Video „Solar Breath (Northern Caryatids)“ von 2002 wieder erblicken. In eben diesem Werk kann ein Vorhang dabei beobachtet werden, wie er immer wieder auf ein offenes Fenster trifft und dort kurzzeitig auf dem dort angebrachten Moskitonetz verweilt, um dann wieder zurückzufallen. Dabei entstehen abstrakte Kompositionen, die jedes Mal andersartig anmuten, um sich dann wieder aufzulösen. Manchmal ist auch kurz der Garten außerhalb der Hütte zu sehen, wenn der Vorhang vom Wind stark in den Raum hineingeweht wird. Dort liegt, fast in der Bildmitte platziert, das Solarpanel, das den Strom für die Kamera erzeugt. Man kann bei genauerem Hinsehen erkennen, dass der Vorhang, wenn er am Moskitonetz klebt, den gemalten Stoffen in der klassischen Malerei ähnelt. Es hat sich sichtlich ausgezahlt, dass er Jahre gewartet hat, um dieses rare Naturphänomen festzuhalten, denn hier nähert er sich einerseits dem Genre des Dokumentarfilms an und öffnet andererseits, da er die Performance des Windes ohne Einflussnahme festhalten wollte, interessante Diskurs- und Verbindungsmöglichkeiten zu der Kultur-Natur Debatte. Gänzlich anders ist da SSHTOORRTY von 2005, seine erste narrative Arbeit. Die Sprache, die hier gesprochen wird, ist nicht Englisch, wie es bei seinen anderen Filmen bislang der Fall war, sondern Farsi. Hier sehen wir einen Künstler, der einen Sammler besucht und mit dessen Frau scheinbar ein Verhältnis hat. Wegen ebendieser Beziehung fängt dann ein Streit an - infolgedessen der Künstler die Wohnung fluchtartig verlässt. Ankunft und Abschied sind transparent übereinandergelegt, der Film dadurch um die Hälfte verkürzt. Wer nun die Zeit findet, um die Arbeit mehrmals anzusehen, wird belohnt. Denn erst dann eröffnen sich die weiteren Dimensionen des Werks. Die Gleichzeitigkeit der bewegten Farbflächen und die dadurch entstehenden Relationen und Kompositionen wären auch ohne die Narration sehenswert. Beide Ebenen kommunizieren ständig miereinander und so können die geneigten AusstellungsbesucherInnen zwischen beidem wechseln, sozusagen vom Rand zur Mitte und wieder zurück. Schade war es, dass der Sinn des Films „One Second in Montreal“ durch eine schlechte Projektionskopie im Filmmuseum (1) nahezu vollkommen verzerrt wurde. Der Film, in dem keinerlei Bewegung vorkommt, da er gänzlich aus Photographien besteht, welche unbewegt und stumm auf die Leinwand geworfen werden, wurde hier so gezeigt, dass Schmutzpartikel und Beschädigungen im Filmbild derart viel Bewegung hervorbrachten, dass man zwangsläufig an Owen Lands Film „Film in Which There Appear Edge Lettering, Sprocket Holes, Dirt Particles, Etc.„ erinnert wurde. In so einem Fall wäre eine Digitalprojektion immerhin noch werktreuer gewesen, da dann annähernd der gleiche Effekt in den Zusehenden erzeugt worden wäre. Gerade eben dieser Film hätte doch beweisen können, wie unwahr die Behauptung ist, Snows Filmen liege etwas Humorvolles zugrunde, wie es gegen den Protest des Künstlers bei dessen Befragung im Filmmuseum durch beide ModeratorInnen abwechselnd behauptet worden war. Nun liegt es jeder Person frei ein Werk so oder so zu empfinden, doch ist die Intention und Wahrnehmung des jeweiligen Künstlers dem Werk immer näher und sollte unbedingt in eine Analyse desselben mit einbezogen werden. Lesarten, selbst wenn sie sich teilweise anbieten, sollten, besonders wenn diese mehrmals vom Künstler selbst mit einem klaren „Nein!“ beantwortet werden, zumindest überdacht werden. Hier leistet die Ausstellung der Secession mit ihrer Auswahl wertvolle Arbeit, schafft sie es doch, Licht auf hierzulande gänzlich neue Aspekte von Snows Oeuvre zu werfen. (1) Filmmuseum Wien Filmreihe: Michael Snow, In Person 24. – 27- Februar 2012 www.filmmuseum.at
Mehr Texte von Patrick Schabus

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Michael Snow - Recent Works
23.02 - 15.04.2012

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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