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Morgan Fisher - The Frame and Beyond : Reflexionen standardisierter Formensprachen

Die Kamera fährt auf das Kino zu. Dort angekommen fährt sie in den Kinosaal hinein, niemand ist da, alles ist noch dunkel. Doch der Projektor läuft ohne Film und projiziert nur weißes Licht auf die Leinwand. Nun hört der Film auf und der Projektor projiziert, nun vor den jeweiligen ZuschauerInnen, das gleiche weiße Licht, das schon vorher im Film auf der Leinwand zu sehen war. Das ist „Screening Room“, ein Film von Morgan Fisher. Er darf nur in einem Kinosaal gezeigt werden, für den extra eine eigene Version angefertigt wurde. Das Filmmuseum wird im Zuge einer Retrospektive (9. Und 10. Mai 2012) dieses Werk für den Saal im Filmmuseum neu filmen lassen, wodurch es möglich wird, diesen bislang selten gezeigten Film wieder und vielleicht nun auch öfter, zu sehen. Sein Interesse für den Film begann, als er noch ein Kind war. Damals fand er an einem See einen angeschwemmten 16mm Film. Schon damals faszinierte ihn nicht das Abgebildete, sondern das Medium, besonders die Perforationslöcher, ohne die ein Streifen Film nur mehr oder weniger lichtdurchlässiges, aber nicht projizierbares Material wäre. Es waren dann aber andere Künstler, die ihn danach beeinflusst haben, obwohl er seit Langem den Filmmacher Thom Andersen kannte. Nachdem er nicht in New York lebte, war er von der dortigen Avantgarde-Szene relativ ausgeschlossen. So waren es die Ästhetiken von Duchamp, Warhol, Sol LeWitt, Carl Andre und anderen, die ihn prägten. Dokumenta Kassel, Museum of Modern Art NY und diverse andere wichtige Institutionen der bildenden Kunst hat sein Werk bereits besucht. In vielen Museen schlummern Arbeiten für zukünftige Ausstellungen, kurzum die schillernde Kunstwelt hat ihn schon vor langer Zeit in ihre Mitte aufgenommen. Schon in den 70er Jahren machte er erste Filminstallationen, sein erster Film ist von 1968. Meist wurden seine Video- oder Filmarbeiten gezeigt, nicht so oft die Arbeiten in anderen Medien. Seine Filme beschäftigen sich oftmals mit den Produktionsbedingungen des kommerziellen Hollywood Films, sind teilweise autobiografisch und ästhetisch extrem zurückhaltend. Für seinen letzten Film () (Parenthesis) von 2003 nahm er aus 16mm Filmen, die er über Ebay gekauft hatte, jedes Insert, das er finden konnte, und konstruierte daraus ein eigenes Werk. Hauptsächlich sind es arbeitende Hände, scheinbar sind fast alle aus Spielfilmen entnommen, es gibt aber auch dokumentarisches Material. So gibt es zum Beispiel eine farbige Einstellung aus einem Bewegungsstudienfilm von Lilian und Frank Gilbreth, in der eine Uhr zu sehen ist, die der Uhr ähnelt, die er 1973 in seinem Film „Picture and Sound Rushes“ rechts neben sich auf dem Tisch platziert hatte. Laut ihm könnte der Film auch 100 Jahre lang sein, wenn er nach dem gleichen Prinzip, einer Aneinanderreihung von Inserts, aufgebaut wäre, bliebe es trotzdem der gleiche Film. Seine Werke handeln immer wieder von der (Un)Möglichkeit als KünstlerIn nicht expressiv zu sein. Die Generali Foundation zeigt nun eine Zusammenstellung seiner Ausflüge in das bewegte und unbewegte Bild. Wer nun die Ausstellung betritt, sieht links einige Bilder, die der Farbflächenmalerei eines Ellsworth Kelly zu ähneln scheinen. Erst der beigefügte Text macht klar, dass es nicht mehrere Arbeiten sind, sondern eine einzelne Große. Wird nun weiter der Raum erkundet, sieht man ein an die Wand projiziertes Video. Hier werden zwei Handschuhe langsam, fast zaghaft, berührt, geknetet und gestreichelt. Daneben befindet sich ein Video, in dem wir eine Person sehen, die uns direkt gegenübersitzt und sich durch das Anziehen von mehreren Kleidungstücken, die allesamt den Körper schützen sollen, immer mehr von der Umwelt abschneidet. Beides ist sehr schlicht und langsam, fast schon meditativ ruhig gehalten. Wer sich nun weiter links dreht, findet bald die Zeichnungen von Fischer, welche mit 1968 beginnen. Gleich beim Betreten dieses Bereichs sieht man Abbildungen von Filmdosen, die mittels Papierschablonen auf Papier aufgesprayt wurden. Dass er sich mit dem Medium Film auch in anderen Medien beschäftigt, verwundert nicht. Gleich neben diesen Arbeiten befinden sich mehreren Zeichnungen, die sich aus anderen Thematiken, aus Atlanten, Reiseführern oder Abmessungen seines Körpers entwickelt haben. Hier eröffnet sich eine neue Möglichkeit Fishers Werk zu sehen: Wer hier genau hinsieht, erkennt, dass sein Interesse den Produktionsbedingungen und den Standards der jeweiligen Medien gilt. Und wer nun, mit neuen Erkenntnissen links weitergeht, findet einige der Filme in großen begehbaren Boxen, wie sie schon oft in anderen White Space-Kontexten zu sehen waren, wenn es darum ging, Filme zu zeigen. Nun ist der Kinoraum aber gänzlich anders, hermetisch, während in diesen Boxen ein Kommen und Gehen herrscht und der Außenraum mit all seinen Geräuschen immer noch präsent ist, sodass die Zusehenden immerfort unterbrochen werden und sich keine Konzentration einstellen kann. Dabei hatte Fisher seine Filme schon einmal anders gezeigt: Als er 2011 in dem englischen Kunstraum Raven Row ausstellte, konnten die BesucherInnen per Knopfdruck die Filme starten. Hier laufen die Filme leider im Loop. Schade ist auch dass Fischer, anders als ursprünglich angedacht, doch keine ortsspezifische Arbeit gemacht hat. Schon des öfteren hat er solche Werke produziert, leider wurde hier dagegen entschieden. Trotzdem ist diese Ausstellung ein Gewinn, besonders da in ihrem Rahmen ein Buch mit Fischers bislang verstreuten Schriften herausgegeben wird. Am 11. & 12. Mai 2012 findet im Anschluss an die Präsentationen im Österreichischen Filmmuseum das Symposium Beyond the Frame: How and Why statt.
Mehr Texte von Patrick Schabus

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Morgan Fisher - The Frame and Beyond
02.03 - 29.07.2012

Generali Foundation
1040 Wien, Wiedner Hauptstrasse 15
Tel: +43 1 504 98 80, Fax: +43 1 504 98 83
Email:
http://foundation.generali.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Do 11-20, Sa, So 11-16h


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