Werbung
,

Cologne Fine Art & Antiques: Von Himmlischem und Irdischem

Sie hat sich aus einer Krise gewunden und steht seit 2010 wieder gut da, die „cofaa“. Dass heuer die Umsätze der 81 Aussteller eher verhalten ausfielen, das ist die Schuld der europäischen Staatsfinanzkrisen, die – außerhalb einiger Großauktionen – nun doch etwas dämpfend wirken. Immerhin kamen 13.000 Besucher – wenn das das richtige Publikum ist, reicht das. Für die Aussteller. Die Messe hätte natürlich gern noch mehr Besucher. Aber da diese nicht gerade zuvorkommend behandelt werden (die sog. Ehrenkarten muss man erst an der Kasse in Zutrittsausweise umtauschen, was viele der älteren Herrschaften, die den größeren teil der Besucher stellen sichtlich verärgerte, einmal abgesehen davon, dass Journalisten außerhalb des Pressezentrums behandelt werden wie - na ja, egal), muss man sich nicht wirklich wundern. Die Kölner machen es einem nicht leicht, sie zu lieben. Das ist anderenorts ganz anders, man schaue einmal auf den Münchner Postpalast und die dortige Kunst Messe München … Die Messe ist von ausgesuchter Qualität, mit ganz wenig Schmuddelecken, ihr fehlt nur die oberste Dünnfilmschicht der Crème de la Maastricht (aber für Objekte im zweistelligen Millionenbereich dürfte es zu Köln auch das pp Publikum nicht geben). Dafür hat’s in der Halle 11 gleich hinterm Bahnhof von Dütz (vulgo Deutz) sehr viele sehr gute, sehr schöne und sehr preisgerechte Stücke. Ganeshas aus dem 18. Jahrhundert um 3-4.000 Euro zum Beispiel bei Peter Hardt aus Radevormwald. Dort bekommt man allerdings auch eine monumentale Torana, getriebenes Kupfer, vergoldet, für eine Viertelmillion. Oder, bei Pendulum aus Hamburg, eine adrette kleine Tischuhr aus Frankreich oder der Suisse Romande aus dem Art Déco für 2.900 Euro. Oder bei Thole Rotermund (Hamburg) Willy Robert Huths „Fischerdorf an der Küste“ für 6.400 Euro. Normalerweise ist das unter anderem der Marktbereich, der Sorgen bereitet, aber in Köln das Segment, in dem viele doch und noch kaufen. Das sagte Silberhändler Schepers (Münster) dem artmagazine.cc. „In München verkaufe ich stets im Bereich von zehn-, zwölf- oder 18.000 Euro. Hier in Köln eher für 1.500, 1.800 oder 2.400 Euro.“ Die Aussteller bespielen neben Köln zu einem großen Teil auch die drei Münchner Messen, sowohl die Kunst Messe München, die Munich Highlights und den Nockherberg. Und hat doch ihren eigenen, großzügigen, heiter-gelösten, schick-vornehmen Charakter. Die Altersgrenze dieser Messe ist das Jahr 1980, man sieht fast keine jüngeren Werke. Sie beweist so, dass in der Tat die klassische (und die Nachkriegs-) Moderne stark die Nähe zu den Antiquitäten suchen, da sie auf vielen anderen Messen, die sich vornehmlich um die Zeitgenossen kümmern, heimatlos geworden sind. Das ist unter anderem ein Beleg dafür, dass sich der Markt umorganisiert, weil sich die Antiquitäten und auch die klassische Moderne alleine immer schwerer tun. Alle ästhetische Produktion, zu deren Genuss idealerweise eine gerüttelt Maß an Bildung gehört, hat es schwer, sich gegen die Hip-Hopisierung der Kultur, gegen Ex und hopp und „Ich will alles und das sofort“ durchzusetzen. Da hält die Messe, hoffentlich auf Dauer erfolgreich, dagegen. Hinzu kommt, dass in einer Neidgesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland, ganz anders etwa als in den USA, der Gewinn von Sozialprestige als Kaufantrieb weitgehend ausfällt, denn nach außen zeigt man keinen Wohlstand, keinen Besitz. Solche Bedingungen sind für die Entwicklung der Messen eher ungünstig, auch, weil die zwei Generationen, die dereinst den Boom getragen haben, merklich den biologischen Rückzug antreten. Und die Nachfolger haben sich ja auf dem Bildungswege weniger mit Hofmannsthal und Goethe als mit der futilen Analyse von Werbetexten befasst. Wo soll da eine Käuferschicht nachwachsen? Manche hochfeine Sammel-Gebiete, so scheint’s, sind manifest im Aussterben begriffen. Aber, Vorsicht: Totgeglaubte leben länger. So haben etwa Sammlerteppiche wieder Aufwind. Nicht gerade in Stärke acht, aber doch spürbar. So konnte Hans Eitzenberger (Hamburg) das eine oder andere Stück absetzen. Bei einem Angebot, mit etwa einen Konya aus dem 18. Jh. (um 36.000 Euro), von dessen Art nur zwei auf der Welt bekannt sind, oder einer Susani von 1820 (239x180 cm; ex Slg. Gordon Getty, publiziert, um 68.000 Euro) kein Wunder. Starkes Publikumsinteresse auch für große Kelims (1850, 1900) aus Zentralanatolien und Tadschikistan bei Teppichkunst Hirschberg (Köln). Dass die Messe wieder ins Frühjahr zurückverlegt werden soll und die Art Cologne, nach wie vor unglücklich zum Frühjahrstermin, wieder auf den traditionellen Herbsttermin rücken soll, ist ein häufig gehörtes Gerücht, lässt sich aber nicht erhärten. Genau betrachtet müsste man solchenfalls den Verantwortlichen ja wohl auch einen Einweisungsschein für den Narrenturm verpassen. Etwas Neues hat die Messe auch geboten: Eine Sektion für Arbeiten auf Papier. Salon du Dessin, Master Drawings und Print Fair wurden als Vorbilder explizit angesprochen, nur reicht das Marktpotenzial nicht für eine eigenständige Spezialmesse. So erscheint die das Profil schärfende Sonderabteilung ein guter Kompromiss zu sein. In der Tat hat die neu geschaffene Sektion „Arbeiten auf Papier“, wie es ausschaut, auf Anhieb den Durchbruch geschafft. Die 24 Premierenteilnehmer waren auch in der Lage, ein erstklassiges Papierkabinett von Altmeistern bis zu den Zeitgenossen zusammenzustellen. Zahlreiche Werke wechselten den Besitzer. „Eine gut komponierte Sektion! Wir kommen wieder“, so das Fazit der Galerie C.G. Boerner (Düsseldorf), verlautbart über die Messe. Ja, gut war das schon. Heike Curtze (Wien) hatte monochrome und farbige Zeichnungen von Günter Brus dabei (um 10.000/12.000 Euro), Wienerroither und Kohlbacher (ebenfalls Wien) brillierten mit Arbeiten von Feininger (Kirche in Gelmeroda), Schiele, Kubin (gerade laufend: Museumsausstellung in im Kölner Kollwitz-Museum) und George Grosz (gerade laufend: Ausstellung im Max-Ernst-Museum in Brühl bei Köln). Insonders die Kubin-Werke waren in höchstem Maße beeindruckend. George Grosz gab es auch bei Nolan Judin (Berlin), mit der Sonderkoje zur Serie „Der Weg allen Fleisches“. Der Stand erregte hohe Aufmerksamkeit. In dieser Sektion war auch Utermann (Dortmund; mit mehr als 150 Jahren die älteste Galerie in Deutschland, sehr erfolgreich, und zwar mit zwei verkauften Feiniger-Zeichnungen, je um 80.000 Euro). Die größte Papierabeit fand sich wohl bei Klaus Gerrit Friese aus Stuttgart, ein monumentale Acryl-Malerei von Dieter Krieg, mit der er 1978 auf der Biennale war: Maße: 210x454 cm (um 38.000 Euro). Das Spektrum der Messe ist breit. Bei Beck und Eggeling (Düsseldorf) hatte es Werke von Beck senior (1920-2010), Skulpturen und Aquarelle (etwa 10.000 Euro), aber auch einen fantastischen Paul Klee („… gilt auch für Pflanzen“, 38x49,5 cm, Pastell und Kreide aus 1932). Jablonka (Köln) hatte riesenhafte, teils farbig gefasste Tonreliefs von Miguel Barceló voller Amphoren, Taucher, Kraken, Fischen und anderen Meeresbewohnern, komplett mit Schwundrissen als zweiter semantischer Ebene, Klaus Benden (Köln; gerade neue Räume bezogen) präsentierte vor allem Warhol, Lichtenstein und Katz, aber auch Tom Wesselmann. Von ihm gab er das „Seascape Portfolio“ für 55.000 Euro ab, bei dem riesigen farbigen Alu-Relief für 650.000 stand er kurz vor dem Abschluss. Samuelis Baumgarte (Bielefeld) hatte, neben Mack und Thieler, einen sehr schönen Braque („Les Oiseaux“, 31x24 cm, 1963) und verkaufte u.a. zwei kleine Skulpturen (Bronze) von Picasso. Holtmann (Köln) setzte auf die Kölner Karte und bot, von 1977, die Serie von fünf Fotos mit dem Titel „Magischer Determinismus“ an, die Anna und Johannes Blume auf der Documenta 6 gezeigt hatten. Und verkaufte einen elfteiligen Zyklus, „Unterhaltungsmusik“ von Dieter Roth (1966, Expl. 26/50). Auch mit Ausstellungs-Parallele, aber in der eigenen Galerie: Stefan Röpke (Köln) mit George Segal, darunter auch frühe Gemälde und Zeichnungen. Max Ernst war mehrfach vertreten, unter anderem bei Boisserée (Köln) mit der 1973er Bronze „Chérie Bibi“ (um 19.500 Euro, Expl. 167/175+15), Marc Chagall darf nicht fehlen, ist er doch immer noch ein Publikumsrenner („Les Villageois“ etwa 100x100 cm, aus 1979 bei Salis&Vertes, Salzburg, Zürich; dort auch ein Kabinett mit fünf Arbeiten von Max Ernst). Möbel sind stark auf der Messe. Etwa bei Georg Britsch aus Bad Schussenried oder bei Tilman Roatzsch aus München. Er hatte auch zwei Augsburger Cherubim (das Paar um 24.000 Euro), etwa 1630, aus Lindenholz. Altamerika kam in Köln aus Österreich, via „Ancient American Art“ aus Kleinebersorf (NÖ), wo es etwa um 50.000 Euro ein steinernes Opferidol in Pumaform (Peru, Chavin-Kultur, 1100-800 v. u. Z.) gab, Altägyptisches und Jemenitisches fand sich bei Gordian Weber (Köln), Aussereuropäisches bei Dierking (Köln) und Simonis (Düsseldorf) – man merkt auch hier, dass die Messe von wichtigen Vollprofis bespielt wird. Altes Porzellan verbindet man zum Beispiel mit Steinbeck (Aachen), Dr. Holz aus Königswinter und Oberacker (Frankfurt am Main). Dort beeindruckte eine Bratenschüssel aus Friedrich des Großen KPM-Tafelservise (1770/72). Alter Schmuck in Top-Qualität war auch zu finden, etwa bei Roeder (Bergisch-Gladbach), Ikonen bei Stefan Brenske aus München und Maria Rutz (Düsseldorf). Typisch an sich war der Stand von Reinhold Bürgerhausen aus Aachen, in dessen Mitte eine oberösterreichische Madonna mit dem Jesusknaben thronte, etwa 1470, ca. 90 cm hoch, um 85.000 Euro. Sie hält in einer Hand das Fruchtbarkeitssymbol Weintraube (eine eher seltene Darstellung), durch das sie aber auch als weltlich, nicht nur als Himmelkönigin apostrophiert wird. Ganz irdisch auch die Design-Lounge, die heuer im Solo von Ron Arad bespielt wurde. Na ja, irdisch eben.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Cologne Fine Art & Antiques
16 - 20.11.2011

Cologne Fine Art
50679 Köln, Messe Köln, Messeplatz 1, Halle 11.2
http://www.colognefineart.de
Öffnungszeiten: täglich 12-20h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: