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Schöne Aussichten: Kinderkrankheiten

Es hätte die Party des Jahres werden können. Die Eröffnung des 21er Hauses wurde regelrecht gestürmt; leider schlossen die Pforten gegen 23 Uhr, und auch das Bier war aus. So unwesentlich dieses Detail erscheinen mag, so symptomatisch ist es doch für die erste Präsentation des Hauses: Es bestehen noch einige „Kinderkrankheiten“, wie es intern formuliert wird. Als „Ausstellung“ im klassischen Sinn wollten die Kuratorinnen (Cosima Rainer, Bettina Steinbrügge) ihr Eröffnungsprojekt nicht unbedingt verstanden wissen, eher als eine Art Standortreflexion. Ihr Konzept für den Auftakt (Titel: „Schöne Aussichten!“) nähert sich den Aufgaben des neu eröffneten Hauses – dessen transparente Architektur nicht unbelastet von Traditionen und Legendenbildung ist – von mehreren Seiten: Zum einen soll hinterfragt werden, wie man mit dem Österreich-Schwerpunkt des (einst Österreichische Galerie genannten) Belvedere umgehen kann; zum anderen werden, allgemeiner, museale Fragen reflektiert. So soll der rote Läufer von Marcus Geiger, der sich durch das Haus schlängelt, nicht nur das Repräsentationsbedürfnis von Museen, sondern auch von nationalen Flaggen parodieren; Franz Wests Installation soll die Beleuchtungsverhältnisse in Museen ansprechen. Sofie Thorsen präsentiert in ihrer Installation die sogenannten „Spielplastiken“ der österreichischen Nachkriegszeit, die zugleich als Spielplatz-Geräte und als künstlerische Arbeiten begriffen wurden; Andrea Fraser führt auf nicht ganz marketinggerechte Art durch ein Museum, und eine Reihe von Videos zeigt Künstlerinterviews aus dem Archiv des Museum in Progress. Am sinnträchtigsten jedoch erscheint das „Museum im Museum“ von Oswald Oberhuber von 1978, das Werke von (zumindest damals) unterschätzten KünstlerInnen der österreichischen Moderne präsentiert (darunter etwa Herbert Bayer, Friedl Dicker, Friedrich Kiesler, Erika Giovanna Klien) und damit ein Gegenbild zum tourismustauglichen Trio Klimt-Schiele-Kokoschka entwirft. Leider erschweren besagte „Kinderkrankheiten“ ein wenig die Rezeption der Werke: So spiegelt sich in Frasers Video derart stark der Hintergrund, dass es kaum zu erkennen ist; in Wests Installation fehlt – jedenfalls zum Zeitpunkt meines Besuches dort – die Lampe (und damit das in diesem Kontext wichtigste Element); die Video-Interviews sind nicht beschriftet (wem die Gesichter der KünstlerInnen unbekannt sind, weiß also über ihre Identität nicht Bescheid). Zudem ließen die Aufseher das Publikum an diesem Nachmittag das Erdgeschoss nur durch den Seiteneingang hinein (dabei ist der Zugang durch das Foyer entscheidend für das unverwechselbare Raumempfinden in diesem Bau). Bei der Eröffnung kritisierten manche die „Ausstellung“ als zusammenhanglos und wenig dicht. Tatsächlich lässt sich nicht unbedingt ein roter Faden ausmachen; als Standortreflexion, die einige Aspekte nicht unkritisch beleuchtet, erweist sich „Schöne Aussichten!“ jedoch als durchaus ergiebig.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Schöne Aussichten
16.11.2011 - 08.01.2012

Belvedere 21
1030 Wien, Schweizergarten/Arsenal-Straße 1
Tel: +43 1 795 57-0
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere21.at
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h, Mi, Fr bis 21 h


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