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ART.FAIR 21 / BLOOOM: La Nouvelle Décadence

Es gibt sie schon beinah so lange wie den Gesangswettbewerb im Land der Heidehasen: 2012 wird die „Art Fair 21“ zum 10. Mal stattfinden. Und Co-Chef Walter Gehlen hat gegenüber dem artmagazine.cc angedeutet, dass sich da einiges ändern wird und man große Jubiläumspläne hat. Es bleibt also spannend. Und das war es ja auch heuer, zur 9. Ausgabe. Die Art Fair ist eine ziemlich große, ziemlich erfolgreiche und ziemlich lebendige Messe, wenn man einmal die feine englische Art des understatement pflegen mag. Den Besucher erwartet eine wohlorganisierte, frische und qualitätvolle Kunstmesse mit einer großen Bandbreite an Positionen, also nicht nur jene anämische Kuratorenkunst, an der andere Messen zu ersticken drohen und mit der die Biennale di Venezia heuer an die Wand gefahren wurde. Hier auf der Art Fair 21 tobt das Kunstleben in allen seinen Facetten, Lautes steht neben Stillem, Buntes neben Einfarbigem. Fast ausnahmslos aber trifft man auf Anerkennenswertes. OK – hier und da ein wenig Schrott, aber das hat’s auch auf der Art Basel. In den vergangenen Jahren hat die Art Fair 21 ihre Verbindungen nach Korea gestärkt, während, so die Messe, von koreanischer Seite das Interesse am deutschen Kunstmarkt ebenfalls zugenommen hat. Heuer stellten insgesamt 13 koreanische Galerien aus. Mit der St. Art Galerie (Stampersgat, NL) kam die Street Art auf die Messe. Und, das ist in Europa eher selten (Straßburg tut es noch, sonst muss man auf die Antiquitätenmessen etwa in Brüssel gehen), es gibt auch Glaskunst zu sehen, etwa bei Berengo Studio 1989 aus Murano (Venedig). Dieses fröhliche Kunsttreffen in den beeindruckenden Räumlichkeiten des Staatenhauses hinter der Köln Messe am Auenweg (schon früher ein hervorragender Ausstellungsort für Kunst) macht wirklich Spaß. Gleich, ob es Lilli Hills dralle Weiber oder Yongbo Zhaos fette Frösche sind, die sich um die Ecke bringen wollen (bei Galerie KK Klaus Kiefer, Essen), gleich ob es die Dickmal-Bilder von Christopher Lehmpfuhl sind (verkauft „Gewitterlicht – Stuttgart“ um 9.800 Euro bei Galerie Schrade, Karlsruhe und Schloss Mochental) oder die Tausend witzigen, meist kleinformatigen Werke von Jan M. Petersen und seinem „Kunstkaufhaus Ost“ (Berlin; von 49 Euro an) – die Kunst ist hier Kunst, hier darf sie es sein, und, nach klassischem Motto, auch bisweilen heiter: So zeigt sich ein Toilettenmännchen-Piktogramm von Petersen auf einem Holzbrett unter dem Motto: „Ich bin der Mann meines Lebens“. So sagte Michael Schultz (Berlin, Peking, Seoul), der auch mit „schultz contemporary“ teilnahm, dem artmagazine.cc: „Die Art Fair 21 ist endlich in Köln angekommen. Alle wichtigen und großen Sammler waren hier und es wurde auch gut gekauft. Wir sind ebenfalls höchst zufrieden und freuen uns schon auf das nächste Jahr.“ Schultz verkaufte unter anderem Bilder von SEO aus einer ganz neuen Serie (um 55.000 Euro), eine Lüpertz-Skulptur um 120.000 Euro und von (Sabine) SAKOH fünf Bilder um je 5.000 Euro (und das am ersten Tag). SAKOH malt, manchmal in Murillo-Stimmung, rätselhafte Szenen mit realistischem Anstrich, und markiert so eine wichtige Position in dem was man vielleicht „Nouvelle Décadence“ nennen könnte: Absurde, aber zeitgenössische urbane Szenen – schließlich hat der Schlaffi im Sessel einen Morgenstern in der linken Hand. Was läuft da ab (außer der Kunst)? Sehr starke Bilder. Und dazu noch gut gemalt. Yasha Young ist einer der Hauptakteure auf der Messe. Sie ist mit der Strychnin Gallery (ohne „e“ und spricht sich doch „stricknain“) aus Berlin, London und New York dabei, und zwar ebenso auf der Parallelmesse in den gleichen Hallen, der „Blooom“ (ist so, mit drei „o“), wo sie auch unter dem Dach ihrer New Yorker „Yasha Young Gallery“ Einzelpräsentationen von Elmer Presslee (Salt Lake City) und dem „underground“-Champion Greg Haberny (New York) betreut. Diese Künstler haben kleinere Werke schon um 210 Euro parat, gehen aber auch in den unteren fünfstelligen Bereich. Sie verkaufte unter anderem Mimi S. (zählte zur „Blooom“; ein großes Bild um 12.000 Euro) und vom Neo-Surrealismus-Star David Hochbaum mehrere mittelgroße Arbeiten um 4.700 Euro. Auch der Sammler von Etabliertem kommt auf seine Kosten: Bei Arthea (Mannheim) mit Rainer Kriester, der dort ein Dauerbrenner ist, Hafenrichter / Klimczak (Nürnberg/Viersen) in bewährter Kooperation, die 18 Arbeiten vermitteln konnten, darunter mehrere von Julian Opie (der Renner schlechthin auf der Messe; es war auch ein Unikat dabei), Georg Baselitz, Tony Cragg, Tom Wesselmann und Helge Leiberg bei Terminus (München). Meinte der „Terminator“ Wilhelm Grusdat: „Die Messe ist jung und frisch und hat sich stark nach oben hin entwickelt. Und wir haben hier auch neue Kunden gefunden, an die wir zwei Gemälde von Gerhard Richter verkaufen konnten.“ Mit „nach oben“ ist nicht nur die Qualität gemeint, sondern, zwangsläufig damit verbunden, das Preisniveau. Bei Davis/Klemm und Erhard Witzel (Frankfurt am Main und Wiesbaden) gefiel das Programm mit unter anderem Konrad Winter und Günter Beier und dem ubiquitären Juian Opie, dessen Verweildauer auf dem Stand auch hier eher begrenzt war. Kein Wunder, dass Erhard Witzel seiner vollen Zufriedenheit Ausdruck verlieh. Aber es gibt immer auch Gutes im vierstelligen Preisbereich. So etwa die poetischen, abstrakten Raumschichtungen (auf Papier) von Kim In-Kyum bei der Wellside Gallery aus Seoul um 3.300 Euro. Höher angesetzt sind die frechen Arbeiten des Niederländers John Breed, aber seine Serigraphien beginnen jedoch schon bei 550 Euro (bis 2.250 Euro). Die massiven und monumentalen Dollar-Druckplatten kosten 12.000 bis 18.000 Euro, und um 158.000 gab es das lebensgroße Szenario aus echten Skeletten und anderen Naturalia, versilbert und verlebendigt dargestellt, gerade wie in Andreas Vesalius’ „De humani corporis fabrica“ oder, neu, bei Gunter von Hagens (dort bekanntlich aber ohne Versilberung), – auch ein Werk der Nouvelle Décadence. Mit der Ökonomie zufrieden war auch Breeds Galerist Ralph Schriever (Köln). Bei Bernd Lausberg (Düsseldorf) gab es das bekannte Programm (unter anderem mit den abstrakten Hinterglasbildern von Michael Burges), aber auch neue Talente. So die Fotokünstlerin Katharina Mayer mit verschmockten, neu-dekadenten Szenen voller Yuppies in Lounges und Lobbies. Ebenfalls aus Düsseldorf kam Rüdiger Voss, der unter anderem mit Kay Kaul und Claudia Rogge (beide Foto) sowie Harding Meyer und Kate Waters (beide Malerei) brillierte. Ebenfalls glanzvoll: Tom Fleischhauer, der große Grisaillist, bei Frey aus Wien (um 4500 für mittlere Formate), für den die Messe „gut gelaufen“ ist. An vier Stellen konnte man sanft in die Parallelmesse „Blooom“ hinüberwechseln. Ein Teil der Blooom, die sich den „Creative Industries“ widmet, hatte noch den wundervollen anarchischen Charakter wie im Vorjahr. Es geht viel um die Vernetzung zwischen Design, Musik, Mode, Literatur, Film, Rundfunk, Architektur, Werbung, Software und Games. Der nicht einzige, aber wahre Sponsor Warsteiner stiftete einen Preis (Blooom Award by Warsteiner). Den ersten Platz belegte Lukas Franciszkiewicz mit seiner Video-Arbeit „beta“. Zusätzlich wurde der allererste „Dutch Winner of BLOOOM Award by WARSTEINER" gekürt. Der Niederländer Alex Winters überzeugte die Jury, die neben Joko Winterscheidt aus Yasha Young, Walter Gehlen, Edo Dijksterhuis und Catharina Cramer bestand, mit seinem Werk „Ride the Drawing Utensil“. Der andere Teil der „Blooom“ hätte problemlos komplett hinüber in die Art Fair gepasst. Und genau das hat man auch als Problem erkannt und will an einigen Stellschraufen ein wenig drehen. Aber auch in dem Teil wurden gute Geschäfte gemacht. Till Woeske von UF6 Projekte in Berlin: „Wir haben traumhaft verkauft.“ Unter anderem zwei Skulpturen von Feng Lu (6er Auflage, um je 3.500 Euro). Bei UF6 zeigte sich auch die Neue Dekadenz (bei Jannis Markopoulos, der auch schon mal Terry Rogers nachmacht), aber auch eine Art Street Photography mit Goldrand, nämlich die von Michael von Hassel, der menschenleere Auslagen in L. A. aufgenommen hat. Magische Bilder. Große Installationen, so wie die von Margherita Leoni, beeindruckten bei Cell 63 Art Gallery (ebenfalls aus dem die Messen doch stark dominierenden Berlin). Leoni malt Aquarelle von Pflanzen und stellt sie in Drucken auf Leinwand zu Installationen zusammen. Dabei gerät Botanik in Beziehungen, die in der Natur nicht vorkommen (gerade so wie im 16. Und 17. Jahrhundert bei den Blumenstillleben). Stiller, sehr poetischer Kontrapunkt: Die kleinformatigen fotografietechnischen Arbeiten von Lys Lydia (Selhimahigazi), die um dreistellige Beträge zu haben waren.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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ART.FAIR 21 / BLOOOM
29.10 - 01.11.2011

Staatenhaus am Rheinpark
50679 Köln, Auenweg 17
http://www.koelnkongress.de/wDeutsch/locations/congress_centrum/rheinparkhallen/index.php


Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
...leider das Highlight verpasst!
Dekamp | 07.11.2011 07:07 | antworten
Was die Art.Fair in Kökn mittlerweile bietet, ist m.E. nicht mehr besonders. Eher stellt sich der grobe Kunstmarkt auch hier ein. Vor Zeiten war die Messe schon spannend. Erst die Blooom brachte das Spannende zurück und zeigt auch in diesem Jahr die Highlights für Kunstinteressierte, nicht für Geldanleger. So ist auch der Artikel eher ein Zeugnis für die Leidenschaft Kunst als Wertanlage und nicht als wichtige Kulturäußerung zu sehen. Passend zu dieser Einstellung übersieht der Verfasser das subversivste Highlight der Messe: Die Gerhard Richter Ikonen in kleiner Auflage, die eben genau diese durch den Artikel zum Ausdruck kommende Haltung gegenüber der Kunst aufs Schärfste kritisiert. Wohl verstanden von den Besuchern, waren die Ikonen schon nach dem ersten Tag ausverkauft. Ich entnehme dem Artikel Namen und Zahlen, aber keine kunstrelevante Information.
Kunst und Kommerz
Gerhard Charles Rump | 08.11.2011 12:09 | antworten
Oh je,solche Art Kritik kenne ich seit Jahrzehnten. Es geht in einem Messebericht wenig um Kunst und viel um Kommerz, weil es keine Museumsschau ist, sondern einer kommerzielle Messe. Tja, und Künstler brauchen auch Geld zum Leben und so fort Wenn Sie keine kunstrelevanten Informationen gefunden haben, dann tut mir das zwar leid, aber Sie sollten sich fragen, ob Ihre Erwartungen überhaupt gerechtfertigt sind. Als Messeberichterstatter bin ich, so auch meine Berufsbezeichnung, Kunstmarktjournalist, nicht Kunstjournalist oder Kunstschriftsteller. Kunstmarktrelevante Infos hat's in dem Bericht jedoch sehr vile. Und das ist das, was hier gefragt ist. Michelangelo war mir 30 Jahren im Besitz von 900 Golddukaten, habe ich mal gelesen., Das sind umgerechnet mindestens 4-5 Mio. Euro. Sie sehen, Kunst und Geld das geht schon immer zusammen. Servus und ba ba G C Rump

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