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KIAF 2011: Rekonstruktion und Meditation

Die Situation der Kunstmessen in Asien ist durchaus spannungsvoll. Hongkong ist von Basel, nicht wirklich einfühlsam, übernommen worden. Ob das funktioniert, steht in den Sternen, denn die Art Hong Kong ist eine frei flottierende Veranstaltung, fußt nicht auf einer heimischen Kunstszene kritischer Größe, ist für Krisen daher anfälliger. In Peking prügeln sich unintelligenterweise zwei Messen um die Lorbeeren, Nutznießer könnte Shanghai sein, das wieder Kraft gewinnt. Singapore brüllte schon wie ein Löwe, muss sich aber erst noch beweisen. Über all dem schwebt, scheinbar unberührt von den Zeitläuften, die KIAF, die ihre Kraft aus der großen und reichhaltigen Kunst- und Kunstmarktszene Koreas zieht. Seit nunmehr zehn Jahren (ja, es war heuer ein Jubeljahr) trifft man sich im COEX in Seoul, gegenüber dem mittlerweile wieder sehr gepflegten Tempelbezirk Bongeun-sa un seinem riesigen weißen Buddha, und damit da, wo früher einmal eine religiöse Akademie war. In der Tat bietet ja Kunst auch einen Zugang zu Spiritualität. Hübsch vermischt, auf einer Kunstmesse, mit Geschäft. Und das Geschäft lief auf der Jubelmesse gut. Nicht, dass knallende Sektkorken allzu großen Lärm gemacht hätten, aber die Stimmung war gut. Erhard Witzel aus Wiesbaden (der mit seinem Kunsthaus in Dornbirn die so ziemlich einzige Verbindung der Messe zu Österreich herstellte) meinte erst, es ginge, aber gut wäre es noch nicht. Und zwei Stunden später hieß es: „Jetzt ist es richtig gut.“ Na bitte. Überhaupt waren die deutschen Teilnehmer, wie praktisch immer, zufrieden. Nach dem diesjährigen Gastland Australien (17 Galerien) stellte der Nachbar im Norden mit 13 Teilnehmern das hinter Japan (14) drittgrößte internationale Kontingent. Insgesamt gab es das Angebot von 192 Galerien aus 18 Ländern zu erleben. 75 der Aussteller kamen aus dem Ausland, eine gute Quote (60:40). In Korea dominiert nicht, wie sonst, bei den deutschen Teilnehmern Berlin, sondern der Großraum Wiesbaden / Frankfurt, mit Erhard Witzel, Christine Rother (neu strukturiertes Programm mit u.a. Hanspeter Münch), Davis Klemm (Frankfurt), dazu Purrmann (Grefrath) und Klimczak (Viersen), deren Teilnahme vom Land Nordrhein-Westfalen unterstützt wurde. Eine kluge Politik. Bei Witzel / Klemm war Julian Opie ausverkauft (dem Kukje, Seoul, gar eine ebenfalls ausverkaufte Solo-Show widmete), dazu kamen noch Konrad Winter, Camill Leberer, Günter Beier und, ja, Thitz. Der poppige Tütenbemaler kommt langsam aber sicher in der „richtigen“ Kunstwelt an. Zurecht, denn das Tütige ist bei ihm auf dem Rückzug und das Malerische rückt in den Vordergrund. Seine Werke verkauften sich mehr als nur gut. Zufrieden auch Klose (Essen) und Klimczak (Viersen), wo Werke von SEO (kleine Arbeiten aus der Energie-Serie, die in Venedig Aufsehen erregte), Warhol (Flowers) und Raymond Pettibon weitergegeben werden konnten. Und auch ein großes Stadionbild von Katharina Dietlinger. „Die Galerie“ aus Frankfurt (mit Dependance in Seoul) war gleichermaßen guter Dinge (u.a. mit A.R. Penck, Volker Stelzmann und dem Monumentalskulpteur Dietrich Klinge), ebenso wie Bode (Nürnberg) mit dem dynamischen Dickmaler Christopher Lempfuhl und, o genius loci, dem wie Nam June Paik und Kim Chang Yeul (Wassertropfen) allgegenwärtigen Lee Ufan. Manche, freilich, treiben ein seltsames Spiel. Eine Galerie aus den offenbar noch immer unausgeloteten Tiefen der deutschen Provinz meinte, eine tolle Idee gehabt zu haben: An den roten Bildern mit Gesichtern mit Augen auf zwei Ebenen gab es kein Schild mit dem Namen des Künstlers. Man wolle, dass der Sammler das Bild wegen der Qualität, nicht wegen des Namens kaufe. Nach Erwerb nenne man den Namen dann schon. Hat man je von einem solchen Unsinn gehört? Das Gastland Australien verärgerte die koreanischen Sammler erst einmal. Man sperrte, wie man hören konnte, die ganze Südkontinentalzone wegen eines Empfanges einfach für zwei Stunden ab. Wer da abgewiesen wurde, hat um die Zone nachher einen Bogen gemacht. Die Messe wäre gut beraten, so etwas zukünftig nicht zu dulden. Nun, so grauslich viel verpasst hat man da allerdings nicht – aus Australien kam heuer nicht so viel Bewegendes. Korea machte das Heimspiel durchaus zu einem Heimsieg. Gleich, ob es elegante Wandinstallationen von Kim Byoungho waren (Arario, Seoul), oder die den Betrachter dominierende Installation von Papiertotenköpfen in großen Acrylglasregalen von Kwon Jung-ho (Soheon / Soheon contemporary, Daegu), gleich ob es die Utopia-Serie mit den fliegenden Schwänen (sing, sing, was geschah …) von Wang Yeul (um 4500 über 20.000 bis 120.000 Dollar; bei Baiksong, Seoul) waren oder die ultramarinblauen, dichten gestischen Abstraktionen von Kim Tschoon-su (Artforum Newgate, Seoul) – stets wanderte der Besucher beeindruckt weiter. Auf der KIAF hat es aber auch die Altmeister der Moderne: Die Wellside Gallery (Seoul) hatte Bernard Buffet (aus den 60ern), und zwar eine Grisaille „Pont de la Concorde“, um 300.000 Dollar. Der Modekünstler von einst erscheint mittlerweile als Fänger des Geistes seiner Zeit. Ja, durchaus zurecht. Bei Huyndai räumten die riesigen Ziffern 1-9 von Robert Indiana ab. Picasso und Miró waren bei Galeria La Aurora (Murcia, Spanien) vertreten, wo es auch den „Rekonstrukteur“ Mariano Vargas mit seinen Renaissance-Variationen (um 7000 Dollar) gab. Noch einmal Rekonstruktion (durchaus ein häufiges Phänomen in der zeitgenössischen Kunst): Die klassischen Porträts mit völlig absurder Mimik von Alfonso Alvarez (um 9.000 Dollar) bei Banditrazos aus Seoul (!). Bei den Skulpturen spannte sich der Bogen vom Stillen und Meditativen – etwa Arbeiten aus der Serie „Existence – Relation“ von Masa’aki Maruyama (um 6.250 Dollar) bei der Galerie Kawafune (Nagano, Japan) – hin zum hintergründig Absurden (aber nicht ohne einen feinen Humor), so wie die farbigen Werke der koreanischen Künstlerin Song Jin Hwa (um 10.000 Dollar), bei der sich eine sexy Lukrezia (40 cm hoch) auch schon mal fröhlich lachend den Dolch in den Brustkern rammt oder der peppige Boddhisattva, der einen Lolli lutscht, von Baik Mijune /112 cm) bei der Galerie Zandari aus Seoul (um 8.000 Dollar). Oder auch die dem deutschen Künstler KEHL verwandten Arbeiten von Kim Kyung Min (um 7-15.000 Euro / 7-15.000.000 Won bei Sun, Seoul). Dazu konnte man vom Mit-Sponsor BMW das von Jeff Koons gestaltete 17. Art Car bewundern, gleichsam als Kontrastprogramm zum aus buntem Filz geschneiderten „Fluffy Car“ von Do Jung Jun (Godo, Seoul). Fast auf jeder Messe gibt es jetzt Künstler der neosurrealistischen Lowbrow-Szene, deren vielleicht bekannteste Vertreter Marc Ryden, Shepard Fairey und David Hochbaum sind. In Seoul hatte der junge Amerikaner Joshua S. Franco bei Park Fine Art aus Albuquerque (NM) einen Auftritt. Franco ist seit 2000 dabei, war einst Deko-Maler, Computergraphiker und Manager eines Künstlerzentrums. „Das“, so Franco, „waren sehr wichtige Erfahrungen für mich. Ich weiß jetzt, das für mich das Wichtigste ist, mir selbst treu zu sein und nur das zu malen, was ich wirklich auch malen will: Das Gute und das Schlechte im Leben, die Spannungen zwischen Anonymität und Vertrautheit. Ich bin eine Art Humpty Dumpty, zerbreche aber nicht. Meine Kunst ist der Herzschlag bis zum Hals, wenn ich nach langem Jagen den seltenen Schneeleoparden vor mir sehe.“ So soll es mit der Kunst sein! Die KIAF hat sich eine Erweiterung zugelegt, die gesondert organisierte „Art Flash“, eine Abteilung für große Installationen und Medienkunst. Bei Sun Contemporary (Seoul) beeindruckte in dieser Abteilung der Medienkünstler Lee Sang Hyun, in dessen Bildschirmbildern sich Vergangenheit und Gegenwart, Östliches und Westliches die Hand reichen, hinterlegt mit passender Musik, gesammelte, typische Szenen aus den Medien. So auch das Viertelfinalspiel der Fußball-WM 1966, zwischen Portugal und Nordkorea (5:3), das im Kommunistenstaat fast mythischen Charakter hat. Lee war im Skandal-Film „Lies“ von Jang Sun-woo (1999) der Hauptdarsteller (und hat unter dem Skandal sehr gelitten). Und so trifft man immer wieder auf das Phänomen, dass alle Kunst die gleiche Wurzel hat, nämlich die aus der Melancholie entstehende Kreativität.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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KIAF 2011
22 - 26.09.2011

COEX
137-731 Seoul, Samsung-dong
http://www.kiaf.org
Öffnungszeiten: 9.-12.5., 11-20, 13.5. 11-18 h


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