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streng geometrisch: Strenge Kunst, weites Feld

Abstraktion, Ornament oder Geometrie sind die – nicht wirklich neuen – Inhalte, die in den künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Ungegenständlichen und Undarstellbaren immer wieder in Erscheinung treten. Obwohl die Ausstellung im Klagenfurter Museum Moderner Kunst Kärntner „streng geometrisch“ heißt, intendiert die Ausstellungskuratorin und Direktorin des Hauses Christine Wentzlinger-Grundnig mit diesem dezidierten Titel keine eiserne Disziplin und keine absolute Interpretation heraufzubeschwören, sondern es wird vielmehr versucht, Anreize für andere Funktionen des geometrischen Instrumentariums in verschiedenen Kunstmedien zu finden. Im Gegensatz zu den Vertretern des postmodernen Formalismus, die im Zeichen des Begehrens im Spätkapitalismus die Grenzen zwischen Kunst, Architektur und Design frech aufwirbelten, sind die hier gezeigten Protagonisten den kontextuellen und den institutionellen Referenzen im Besonderen zumeist abgeneigt. Die Herausforderung bildet das Reale der sich permanent wandelnden Formen. Der übermäßigen Theatralik und teils überwältigenden sinnlichen Wirkung der Kunstwerke wird so eine gewisse Kontrolle auferlegt. In einigen der Arbeiten wie beispielsweise in der begehbaren Installation von Regine Schumann aus rot fluoreszierenden gebogenen Acrylgläsern, die den Raum mit nahezu liturgischem Licht aufladen, in den energetischen Farblichträumen von Miriam Prantl oder in den originell die chromatische Perzeption steigernden Raumobjekten aus farbigen Leinwänden von Mar Vicente spielt jedoch die sinnlich-psychologische Komponente eine gewichtige Rolle. Mit der Präsenz des Lichts und seiner verunklärenden Abwesenheit in digitalisierten und analogen Medien, die kontrastreich im verdunkelten Raum inszeniert werden, beschäftigt sich stillvoll puristisch und experimentell Manuel Knapp. Es kann sich jedoch bei der Betrachtung seiner still flimmernden Werke auch keine eindeutige Interpretation einstellen. Der Selbstbeherrschungskodex, der entfernt auf das Bildverbot hinweist, dominiert vor allem die Arbeiten, welche sich auf fühlbare Relationen und Interferenzen zwischen Licht, Farbe, Linie, Perspektive und Raum oder Materie und inhaltliche Differenzen konzentrieren. Die Methoden und die Ausgangspunkte dieser auf strenger Geometrie basierenden Kunst waren in letzter Zeit einigen Veränderungen unterworfen und reichen von Fotografie bis zu medienbezogenen Recherchen. Gelegentlich fließen in die obligatorischen Rastermuster autobiographische Anhaltspunkte und starke emotionale Impulse, wie in den zeichnerischen Arbeiten von Sabina Hörtner, ein. Ihre wandfüllende monochrome Installation in situ „1904 m“ besteht aus sechs Papierbahnen in Format einer nicht zu Ende ausgerollten und auf dem Boden liegenden Wandtapete. Die bewusste Konzentration auf ein solch untypisches Bildmaterial ist hier als die selbstbewusste und leicht ironische Reaktion auf die oftmals geäußerte Kritik über die geometrische Kunst als bloße Dekoration zu deuten. Andere Arbeiten fokussieren ihre geometrischen Setzungen auf neues Abtasten und das Spiel mit räumlichen und architektonischen Dimensionen. Bei Ingo Nussbaumer entstehen mehrschichtige und fragmentarische Bildräumlichkeiten, die diesmal in großformatigen dynamisierten Bildern ihren Affekt suchen. In „C[olor] P[ropoposition] 20“ durchneiden das schwarze Quadrat und seine schattige Wiederholung mächtige weiße Balkendiagonalen. Die geometrischen Formen ergeben dabei imaginär den Grundriss einer Pyramide, lassen aber auch Rückschlüsse auf andere komplexe räumliche Anordnungen im geschichtlichen Prozess der ewigen Regeneration der (Kunst)Formen zu. Gerold Tagwerker bezieht sich dagegen in seiner aus lackiertem Stahl konstruierter Skulptur „johnson.twins“ auf die Muster moderner Architektur und zieht daraus eigene formalästhetische Konsequenzen, die jeweilige übermäßige Repräsentationsambition widerspenstig unterlaufend. Die ausgewählten fünfzehn österreichischen und internationalen künstlerischen Positionen, die sich ohne Alterschronologie in der Abfolge der Säle ausbreiten, scheinen hier wie Sicherheitsventile oder kompensatorische Kräfte gegenüber der letzten Entwicklungen im Feld des konstruktiv-abstrakten und minimalistischen Formvokabulars zu funktionieren. Nicht zuletzt dadurch, dass sich ihre aktuellen Erscheinungsformen mehrmals mit parawissenschaftlichen Erkenntnissen durchkreuzen. Damit soll zugleich die banale warenförmige Prägung der geometrischen Kunst unterlaufen werden. Schließlich sind die utopischen Prämissen der reinen geometrischen Formen – die in der Moderne oft für Gefühle von Transzendenz standen – durch die Übertragung des Schwerpunktes der Interpretation auf die Relationen zwischen dem Objekt und seinem Betrachter längst überwunden, womit ihre Leseart mit der Kondition unserer individueller Wahrnehmung eng verbunden wurde. Versuchen wir uns also darauf einzulassen, indem wir unser perzeptuelles Vermögen stets vertiefen.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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streng geometrisch
22.09 - 20.11.2011

MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten
9020 Klagenfurt, Burggasse 8/Domgasse
Tel: +43 50 536 30 507
Email: office.museum@ktn.gv.at
http://www.mmkk.at/
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr


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