Werbung
,

Ballett der Hafermädchen

In seinen Bemühungen, den Verleger Karl Robert Langewiesche von seinem Buchprojekt botanischer Detailstudien zu überzeugen, schreckte der Frankfurter Fotograf Paul Wolff nicht davor zurück, Karl Blossfeldts \"Urformen der Kunst\" als \"phototechnisch ausgesprochen schlecht\" zu dissen. Wolffs Fotoband erschien unter dem Titel \"Formen des Lebens\" 1931 in Langewiesches populärer Reihe der \"Blauen Bücher\", auf dem Frontispiz eine berückende Aufnahme des Vielfingerigen Stielblütengrases Eulalia japonica. Mit seinem wohlfeilen Verkaufspreis konnte sich das Buch auf dem Markt neben anderen ähnlichen im Geiste der neusachlichen Fotografie behaupten und erlebte mehrere Neuauflagen. Wolff war auch in dem im selben Jahr herausgegebenen Industriefotoband \"Das Werk\" vertreten, zusammen mit anderen renommierten Fotografen seiner Zeit wie Albert Renger-Patzsch, dessen Buch \"Die Welt ist schön\" das neusachliche Sehen alltäglicher Dinge popularisiert hatte. Wolffs Briefwechsel mit seinem Verleger sind jetzt im Anhang der Reprints der beiden \"Blauen Bücher\" nachzulesen, zu denen als dritter Nachdruck \"Der Künstlerische Tanz unserer Zeit\" kommt, ein 1928 erschienenes Produkt des lebensreformerisch orientierten Langewiesche. Ein ausführlicher Anhang dokumentiert auch hier die Editionsgeschichte, etwa die Eliminierung von Alexander Sacharoff in der Neuauflage von 1935 wegen dessen angenommener jüdischer Herkunft im Hinblick auf eine bessere Verkäuflichkeit des Buchs. Die Biografien der in Portraits und Bewegungsstudien Dargestellten, neben Anna Pawlowa, Grete Wiesenthal und dem Bauhaus-Liebling Gret Palucca heute vergessene Größen wie Siti Soendari und La Argentina, wurden wo möglich recherchiert. Mit neuer Covergestaltung erscheinen die Reprints zum 100jährigen Bestehen des Langewiesche-Verlags, herausgegeben von der Albertina, in deren Besitz die Bildvorlagen sind. Hier die Sprungkraft der Palucca, dort das Ballett der Verladekräne und die gespelzten Ähren des Hafers, die, so bemerkte die New Yorker Rezensentin Gerty Agoston, auftreten wie Revuegirls. Man möchte Renger-Patzsch zustimmen: Die Welt ist schön. Zumindest manchmal. Paul Wolff, Formen des Lebens (1931) Das Werk. Technische Lichtbildstudien (1931) Hermann und Marianne Aubel, Der Künstlerische Tanz unserer Zeit (1928) alle: Königstein/Taunus: Die Blauen Bücher, Karl Robert Langewiesche Nachfolger Hans Köster Verlagsbuchhandlung KG, 2002
Mehr Texte von Iris Meder †

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: