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Lob der Malerei: Wirklichkeiten 1963-1975: Shooting Stars des Austro-Pop

Wie eine Popgruppe, cool, intellektuell und lässig inszenierte sich die Gruppe \"Wirklichkeiten\" vor Sternenhimmel und Regenbogenfarben anno 1968. Wie Shooting Stars brachen die sechs Newcomer Ringel, Herzig, Jungwirth, Kocherscheidt, Zeppel-Sperl und Pongratz in die Wiener Kunstwelt ein. Zwischen dem zur Staatskunst avancierten Phantastischen Realismus und der erlesenen Schar um Monsignore Otto Mauer tat sich damals nicht viel. Da fiel der Secession im Mai 1968 eine Ausstellung aus, Otto Breicha gab sechs jungen Unbekannten eine Chance. Eine kleine künstlerische 68-Revolution. Mit abstraktionistischer Routine, Konzept Art, Minimalismus konnten die sechs Individualisten nichts anfangen. \"Wirklichkeiten\" ist ein Statement gegen kopflastige Konstruktion, für die Malerei als spontaner, lebendiger, künstlerischer Ausdruck der eigenen \"Wirklichkeit.\" Pop-feeling, Science fiction, Kinderzeichnungen, Kunst der \"Geisteskranken\", Experiment mit Farbe, Linie, Fläche, der psychoanalytische Blick sind ihre Inspirationsquellen. Wolfgang Herzigs Malerei ist unmissverständlich direkt. Otto Dix, die Surrealisten und Sigmund Freud lassen grüßen. Eine Cocktailgesellschaft wird entlarvt, eine fette Frau mit Perlenkette und überquellendem Busen stopft sich eine Mini-Pizza in den Mund. Blutströme, abgehackte Brüste und Hände verbreiten in \"Hommage auf Garcia Lorca\" Endzeitstimmung. Kurt Kocherscheidts Credo: \"Ich habe kein ideologisches Konzept. Ich male Geschichten und lege Wert darauf, dass sie farbig geraten.\" Er experimentiert malerisch mit flächiger Abstraktion. Peter Pongratz bekennt sich als \"Bildernarr\", der \"neue Bilder erfindet, die es noch nie zuvor gegeben hat.\" Seine Fantasie gebiert Skurriles wie \"aufgeklappter Nilpferdquerschnitt\". Ein sehr einfühlsames, inneres Porträt des schizophrenen Johann Hauser beweist starke Affinität zu Gugginger Künstlern. \"beim malen nicht denken\": in zarten und kräftigen Strichen, spontan geschwungenen Flächen begibt sich Martha Jungwirth \"vor die gesprochene sprache\" ins abstrakte Feld des Unbewussten. Franz Ringel bringt in dichten Linien archaische Sexualität und Gewalt grausam zu Papier, Robert Zeppel-Sperl wühlt als Kind seiner Zeit fröhlich im bunten Pop-Fundus der Yellow-Submarine: Ringo Starr, made in Austria. Unter dem sperrigen Titel \"Lob der Malerei\" feiert die Gruppe im KunstHaus Wien nun ihr drittes \"Revival\". Der frische Geist der Revolution weht immer noch. Die \"Wirklichkeiten\" sind wie die Beatles: Sie haben immer Konjunktur.
Mehr Texte von Isabella Marboe

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Lob der Malerei: Wirklichkeiten 1963-1975
03.10.2002 - 09.02.2003

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