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G.R.A.M. - Hohes Haus: Der Verlust der großen Geste

Unter dem Titel „Hohes Haus“ zitieren Günther Holler-Schuster und Martin Behr parlamentarische Konflikte, die in Form von Handgreiflichkeiten ausgetragen werden. Als Vorlage dienen nicht näher erläuterte internationale Pressefotos. Gemeinsam mit Statisten stellen Holler-Schuster und Behr diese nach und reinszenieren sie im Grazer Gemeinderatssaal. Was dabei zu Tage tritt, ist eine gewisse Lächerlichkeit der handelnden Personen. Körperliche Übergriffe werden wie in Standbildern eines dem Betrachter unbekannten Films eingefroren. Das Dargestellte gerät zur skurrilen Pose. Die Künstlergruppe G.R.A. M., die vornehmlich mit solcherlei „Reenactments“ (1) bekannt wurde, indem sie z.B. anarchistische Szenen aus Stan Laurel- und Oliver Hardy-Filmen nachstellte, teilt uns bei ihrer Darbietung leider nichts über die Herkunft der Pressebilder mit. Wir werden nicht über den Konflikt, der dem Dargestellten zugrunde liegt, informiert, der Kontext, aus dem diese Kunst ihre Motive schöpft, bleibt dem Betrachter verschlossen. Auf den Werklisten kann man als Provenienz der Fotos die Städte Seoul, Kiew, Taipei u. a entnehmen, genaueres über die Umstände der Konflikte erfährt man jedoch nicht. Das ist schade und raubt dieser Kunst eine übergeordnete, inhaltliche und letztlich auch politische Ebene. Situationen aus ihrem Kontext zu isolieren und sie zu verfremden ist eine traditionsreiche Methode künstlerischer Darstellung. Die Rangeleien von Holler-Schuster und Behr spielen zwar in ihrem Hell-Dunkel, in ihren Gebärden und Manierismen mit Motiven der klassischen Kunstgeschichte, insbesondere der Malerei, verharren aber vornehmlich in einem leeren Gestus. G.R.A.M.s Arbeiten erinnern auch an die sogenannten Tableaux Vivants, eine Kunstform der „Lebendigen Bilder“ , die am Ende des 18. Jahrhunderts als Nachstellung von Malerei und Plastik in Mode kam und bis heute ihre Vertreter in der zeitgenössischen Kunst findet. Cindy Sherman und Hannah Wilke beispielsweise thematisierten in ihren Arrangements der 70er und 80er Jahre die Entlarvung von Klischees und feministischen Anliegen. In den 80er Jahren parodierte Rodney Graham wiederum gekonnt neurotische Verhaltensweisen. Bis heute zeigen Tänzer oder Artisten nach einem lobenden Applaus des Publikums die Körperbewegung „Kompliment“ als Dankeschön. Wie sehr das Nachstellen von Habiti Vergnügen wecken kann, zeigte etwa auch die Fotoarbeit von Christiane Seiffert „Doppelt“, die 2002 in der Ausstellung „Tableaux Vivants“ in der Wiener Kunsthalle zu sehen war. Da posiert die Künstlerin auf einer Leiter „zwitschernd“ neben der Fotografie eines Vogel in ähnlicher Pose. Das hatte hintergründigen Witz und Humor, etwas, das man bei den Arbeiten von Holler-Schuster und Martin Behr leider etwas vermisst.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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G.R.A.M. - Hohes Haus
14.09 - 22.10.2011

Christine König Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1a
Tel: +43-1-585 74 74, Fax: +43-1-585 74 74-24
Email: office@christinekoeniggalerie.at
http://www.christinekoeniggalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa 12-16h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Bill Viola ...
Walter Stach | 03.10.2011 09:37 | antworten
... hat solche Szenerien längst schon und hundert Mal glaubwürdiger gemacht.

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