Gesche Heumann,
AVPD: Weiss; Tatiana Lecomte; Jakob Neulinger - Reception Room: Programmatisch profund parken
Kunst ist ja keine Dame, die in gepflegter Form zu Besuch kommt. In der Regel muss man sie besuchen und wird nicht unbedingt einen Platz angeboten bekommen. - Auf der Wand neben dem Parkplatz vor dem Weissen Haus befindet sich eine Schriftmalerei (Gerhard Himmer), die das Wort „TRUST“ weiß zwischen Blau leuchten lässt. Ein roter Ascheneimer links neben der Eingangstür bereitet auf das Verbot vor, privat mitgeführte Tabakwaren im Treppenhaus abzubrennen.
Im zweiten Stock öffnet sich die Tür zu einem schmalen, künstlich beleuchteten Büroflur. Im Raum links (Projektraum mit Jakob Neulinger „Reception room“, bis 17. November 2011) findet sich ein messingfarbiges, zwischen Plafond und Decke aufgestelltes Rohrführungssystem. Daneben liegt das dreiteilige Markenzeichen eines Kraftfahrzeugherstellers in kinderbeinlanger Ausführung und mit zweifarbigem Granitbezug. In der Ecke zaust sich auf einem trockenen Ast eine nicht besonders herzlich wirkende, ausgestopfte Eule.
Flankiert von Videoprojektionen mit Künstlergesprächen kommt man über den Flur in mehrere Räume, in denen verschiedenfarbige Fotografien mit vergnügter Frau in dreieckig wirkenden Gruppierungen neben Bildern des schwarzweißen Sakralikonennazi an die Wand geklebt sind (Tatiana Lecomte). Alle Bilder bis auf die große Fototapete einer stimmungsvoll aufgenommenen Landschaft stammen aus demselben, auf der Straße gefundenen Archiv. Auf etwa sechzig Prozent der auf die Wand geklebten Fotos macht ein und dieselbe Frau über Jahrzehnte hinweg Posen, die auf ein sehr unbekümmertes Verhältnis zu dem Fotografen schließen lassen, und dazwischen sieht man den Führer Auto fahren. Das ist kein Nebeneinander ohne bewusst gesetzte Obszönität, und jeder, dem die Begegnung mit Obszönitäten nicht gefällt, darf sich darüber ärgern.
Anders geartet stellt sich dar, wie ein Raum mit vier sich vergrößernden, viereckigen Vorhangschienen kassettiert und sehr leichten, weißschimmernden Stoff daran aufgehängt, zu einer körperreflektierenden Schleierkammer wird (das dänische Künstlerdua AVPD). Je nach Schnelle der Bewegung gehen die Vorhänge mit. In der labyrinthischen Anlage kann man zu einer weiteren Tür hinausgeraten und sich nun auf der anderen Seite einer elektrochromatischen Scheibe befinden, die zwischen Spiegel und Milchglas changiert. Es gibt noch einige Zeichnungen und Lichtprojektionen des dänischen Künstlerduos und außerdem eine Lichtinstallation im Café (Corinne L. Rusch).
Kunst ist ja keine gepflegte Dame, die zu Besuch kommt und nett plaudern will. Sie ist eher eine Gymnastiklehrerin mit herber Stimmführung, die persistent dazu auffordert, die Sinne zu üben und dem Sinn neue Blickwinkel zu ermöglichen. Wenn sie „TRUST“ sagt, kann sie gefragt werden, wieso sie Englisch mit uns spricht. Und sie ist großzügig und erlaubt, die Antwort darauf frei zu erfinden.
Mehr Texte von Gesche Heumann
AVPD: Weiss; Tatiana Lecomte; Jakob Neulinger - Reception Room
28.09 - 13.12.2011
Kunstverein das weisse haus (alter Standort)
1050 Wien, Geigergasse 5-9, 2. Stock
http://www.dasweissehaus.at
Öffnungszeiten: Di - Fr 13 - 19h, Sa 12 - 17h
28.09 - 13.12.2011
Kunstverein das weisse haus (alter Standort)
1050 Wien, Geigergasse 5-9, 2. Stock
http://www.dasweissehaus.at
Öffnungszeiten: Di - Fr 13 - 19h, Sa 12 - 17h
Ihre Meinung
1 Posting in diesem Forumerstaunlich …
gerhard himmer | 02.11.2011 10:49 | antworten
… mit welcher jugendlicher Unbekümmertheit dieser Artkel verfasst worden ist. Hut ab!
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