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The Power of Fantasy: The Power of Pathos

Die thematische Ausstellung moderner zeitgenössischer polnischer Kunst The Power of Fantasy im Palais der Schönen Künste in Brüssels diesen Sommer ist Teil eines umfangreichen Kulturprogramms, I, Culture benannt, mit dem Polen den Beginn seiner ersten Übernahme der Ratspräsidentschaft der EU feiert. Die prominent besetzte Show zeigt bedeutende Arbeiten einiger älterer (z.B. Jacek Malczewski, Tadeusz Kantor, Andrzej Wróblewski) und vieler junger KünstlerInnen, die im letzten Jahrzehnt auf dem internationalen Kunstparkett Erfolg hatten. Im Rampenlicht steht jedoch die Generation der über 35-jährigen. Sie verbrachten ihre Kindheit zwar noch im Kommunismus, ihr ungewöhnlich rasanter internationaler Aufstieg wäre aber ohne die politisch-historischen Umstände und Polens Wende zur Demokratie und zum freien Markt kaum denkbar. Es sind dies Robert Kuśmirowski, Wilhelm Sasnal, Pawel Althamer, Jakub J. Ziółkowski oder Piotr Uklański. Diese Highlights der Ausstellung - gleichsam die Erneuerer der polnischen Beaux-Arts - werden in den einzelnen Sälen aber von farblich akzentuierten Erklärungstafeln begleitet, deren Texte fast allen künstlerischen Positionen klischeehafte historische und ideologische Blickwinkel statt formaler ästhetisch-künstlerischer Errungenschaften attestieren. Dieser Zugang beeinflusste nicht nur die Auswahl der Werke, sondern auch die Kombination der Werke innerhalb der Ausstellung – eine nicht unbedingt gewinnbringende Entscheidung. Sasnals Bilder Partisan oder Kraków sind Beispiele für schwache Arbeiten des Künstlers, der inzwischen zu den ganz großen Malereipositionen der Gegenwart zählt. Die um die Jahrtausendwende entstandene Malerei von Marcin Maciejowski, die das alltägliche Lebenschaos der Systemtransformation humorvoll zu einer nahezu statuenhaften erkalteten Form transformiert und ihr damit den endgültigen politischen Charakter verleiht, wurde mit der opulenten Installation von Maciej Kurak verknüpft, die einen Fiat126p und eine Nähmaschine beinhaltet, so dass sich die Bilder und Objekte gegenseitig sabotieren. Weiters werden in Überschriften wie z.B. We could be Heroes, Punishment and Crime, Rebels and Martyrs, Past made Present vertraute polnische Stereotypen und romantische Mythen strapaziert, um sie dann nahtlos in die Gegenwart fortzuführen. Gelungen dagegen ist die Gegenüberstellung von Druckgrafiken des Schriftstellers und Künstlers Bruno Schulz aus den 1920er Jahren mit den 16 neuen collagierten Werken von Paulina Ołowska aus der Serie Accidental Collages. Beide reflektieren eindringlich die Fetischisierung des Frauenbildes im Laufe der Zeit. Schulz sieht die Frau vorrangig als Objekt der düsteren männlichen Begierden, Ołowska zeigt sie als das sich aus dieser Rolle scheinbar befreiende Subjekt am Beispiel der durch die kommunistischen Medien kolportierten, ihrer hoffnungsvollen Zukunft entgegen schreitenden Frauenbilder. Definitiv zur Gattung der surrealen Phantastik gehören auch die Bilder von Jakub J. Ziółkowski. Seine Erzählungen, ironisch gebrochen wie Die große Schlacht unter dem Tisch, wirken trotz ihrer detailreichen amorphen Aufgeladenheit tatsächlich teilweise hermetisch wie die in der Ecke schwebende monochrome Textilskulptur von Magdalena Abakanowicz, die hier als historische Referenz geholt wurde. Seinen Namen Strange Gardens nimmt dieser Saal jedoch nicht von der international bekannten Abakanowicz, sondern von dem einmaligen zwischen Ziółkowskis Bildern hängenden Gemälde Der wundersame Garten des polnischen Jugendstil-Malers Józef Mehoffer. Nach Europa – ja, aber gemeinsam mit unseren Verstorbenen, wie die Kennerin der polnischen Romantikkultur Maria Janion einmal im Titel eines ihrer Bücher forderte. Schade, dass die Ausstellungskuratoren – David Crowley, Zofia Machnicka und Andrzej Szczerski - am Beginn eines neuen Jahrhunderts keine Revision oder zumindest eine Kritik dieser Forderung gewagt haben.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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The Power of Fantasy
24.06 - 18.09.2011

Palais des Beaux-Arts
1000 Brüssel, Rue Ravenstein 23
Tel: +49 2 507 82 00
http://www.bozar.be/
Öffnungszeiten: Di-So 10 - 18, Do 10 - 21 h


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